WikiLeaks – Risiko für nationale Sicherheit?
Grenzen und Verantwortung moderner Medien
Gastbeitrag
von
Ralf R. Zielonka
18. August 2010
Im Juli 2010 veröffentlichte die Internetplattform WikiLeaks geheime Informationen aus Datenbeständen der amerikanischen Streitkräfte auf ihrer Webseite. Der Umfang war circa 90.000 Seiten interne, militärische Kurzberichte, Meldungen, Nachrichten und Reports aus dem Afghanistan – Krieg, die WikiLeaks zugespielt worden waren. Dieser Veröffentlichung vorausgegangen waren Prüfung und Sichtung der Dokumente bei „SPIEGEL”, dem Londoner „GUARDIAN” und der „New York Times”. Alle drei Medien sind übereinstimmend zu dem Ergebnis gekommen, dass die Dokumente authentisch sind.
Nachdem dann die internationalen Medien weltweit darüber berichtet haben – von Russland über China bzw. dem asiatischen Großraum, diverse arabische Staaten, Europa, Afrika, Südamerika und natürlich Nordamerika und Kanada – ist das Thema jedoch noch lange nicht abgeschlossen, und hat in diversen Ländern, Regierungen und Organisationen Verärgerung und zugleich Besorgnis erzeugt, auch wenn dies nicht überall öffentlich so geäußert wird.
Dass seitens der Taliban, Al Qaida und weiteren, weltweit den Terror unterstützenden Organisationen und Gruppierungen diese Veröffentlichungen bei WikiLeaks sehr positiv aufgenommen wird, versteht sich von selbst. Denn noch nie war es leichter, an solche militärischen Informationen und in dieser Menge zu gelangen: Es genügt ein Internetzugang – von irgendwo an irgendeinem Fleck der Erde.
Die Angelegenheit ist jedoch noch lange nicht zu Ende. Üblicherweise bedarf es schon einiges an Personalaufwand sowie technischer Ressourcen ungefähr 90.000 Seiten inhaltlich auszuwerten, um daraus Informationen zu gewinnen, und diese Informationen letztendlich gegen Dritte zu verwenden, beispielsweise gegen die amerikanischen Streitkräfte, gegen ISAF und gegen afghanische Mitarbeiter, die für die amerikanische Streitkräfte bzw. für ISAF in unterschiedlichen Aufgaben tätig sind. Dass mittlerweile sogar Amnesty International WikiLeaks wegen der Veröffentlichung von Personen und Namen kritisiert macht den Ernst der Sache um so deutlicher.
Dem Mitbegründer von WikiLeaks, Julian Assange, scheint die Angelegenheit langsam über den Kopf zu wachsen. Das US – Verteidigungsministerium hat mehrfach versucht die Problematik der veröffentlichten, klassifizierten Dokumente zu beschreiben
[ Video ].
Der Sprecher des Pentagon, Geoff Morrell, hat in einer Pressekonferenz vor Journalisten in einer ausführlichen und eindringlichen Ansprache mehrfach WikiLeaks darum gebeten, die geheimen, militärischen Dokumente zurückzugeben bzw. von der Webseite zu entfernen und alle Kopien zu löschen [ Video ].
In die Ermittlungen sind mittlerweile unter anderem DIA [1] [2], CENTCOM [1] [2], US Army CID [1] [2], Counter Intelligence Experten [1], FBI [1] [2] und das US-Justizministerium [1] [2] eingebunden. Es bedarf keiner besonderen Betonung welchen hohen Stellenwert die Klärung der Veröffentlichung der klassifizierten Dokumente hat.
Nach Medienberichten haben die USA
auch Geheimdienste von NATO – Partnern [1] [2] gebeten bei der Lösung der Problematik zu unterstützen.
Die Nervosität und der herrschende Druck auf WikiLeaks bzw. auf Julian Assange wird nicht zuletzt dadurch deutlich, dass WikiLeaks eine Art „Versicherungspolice” abgeschlossen hat: Unter der URL ist ein verschlüsselter Datensatz abgelegt mit der Bezeichnung „insurance file”. Es gibt zwei sehr unterschiedliche Ansichten darüber was WikiLeaks mit der Vorgehensweise beabsichtigt.
Die eine Ansicht ist:
Falls Julian Assange oder anderen Mitgliedern von WikiLeaks etwas „zustoßen” sollte – was auch immer – wird der Schlüssel für diesen Datensatz an anderer Stelle im Internet veröffentlicht. Damit hat jeder, jedes Land, jede Organisation lesenden Zugang auf die verschlüsselten, militärischen Informationen, falls sie diese von WikiLeaks heruntergeladen haben.
Die andere, sehr spekulative, durchaus vage Ansicht ist: Julian Assange bzw. WikiLeaks wollen sich auf einen Schlag von der US-Regierung in angemessener Höhe „freikaufen lassen”. Dass dies grundsätzlich von der Geldhöhe her kein besonderes Problem für die US-Regierung darstellen würde, selbst falls es sich um einen zweistelligen Millionenbetrag handeln sollte, versteht sich. Ob sich eine Regierung – eine US-amerikanische oder irgendeine andere Regierung – erpressen lässt, steht auf einem ganz anderen Blatt. Es gibt zurückhaltende Einschätzungen die lauten: Erpressen vielleicht – aber zeitlich nur begrenzt