Versagen die Eliten?
Teil 61
Armut und Reichtum
[ Das neue Kräftemessen ]
16. August 2011
Die zunehmende Differenz von Armut und Reichtum in Europa spiegelt die unterschiedlichen materiellen Lebensbedingungen sowie die wachsende Kluft zwischen den verschiedenen Bevölkerungsteilen wieder.
Warum
stehen die deutschen Unternehmen derzeit so stark da?
Weil
tausende deutsche Unternehmen systematisch sichere Langzeitarbeitsplätze abgebaut und sich gesundgeschrumpft haben.
Weil
Millionen abhängig Beschäftigte seit 18 Jahren auf spürbare Lohnerhöhungen verzichten mussten.
Weil
die meisten abhängig Beschäftigten stillschweigend sogar Lohnkürzungen hingenommen haben.
Das Ergebnis:
Millionen fleißige abhängig Beschäftigte haben mitgeholfen, dass die Unternehmen so stark sind und deren Produktivität deutlich gestiegen ist.
Abhängig Beschäftigte
haben die heutige Entwicklung sowie die damit verbundene wirtschaftliche Stabilität erst möglich gemacht. Deshalb ist es jetzt höchste Zeit, dass sie am andauernden Geschäftserfolg beteiligt werden. Ob kräftige Lohnerhöhungen oder Erfolgsbeteiligungen – unter dem Strich muss deutlich mehr rauskommen als das mickrige Almosen. Seit 1998 ist der Anteil der Armen an unserer Gesamtbevölkerung von damals rund 13% auf heutzutage über 19% gestiegen. Die Dunkelziffer der nicht Erfassten fügt dieser Elendsstatistik zusätzlich bis zu 6% zu. Enorm stark fiel der Anstieg der Armen bei den ungelernten abhängig Beschäftigten aus, von denen bereits jeder dritte als arm einzustufen ist.
Selbst die ehemals gut verdienenden Facharbeiter sind durch die prekäre Leiharbeit zwischenzeitlich zu rund 17% von Armut betroffen. Das ist mehr als doppelt so viel wie noch 1995. Bei alleinerziehenden Müttern oder Vätern mit ein bis drei Kindern liegen wir in unserer Heimat mit den Elendszahlen bereits in der europäischen Spitzengruppe. Die Durchleuchtung der veröffentlichten Zahlenwerke der Einkommensentwicklung, der Verteilung der Einkommen sowie der Arbeitslosenquote [ bei uns: ALG I und ALG II ] zeigen deutlich die Spuren der Armutsgefährdung. In 27 EU – Ländern sind seit der Jahrtausendwende die Realverdienste jährlich gerade einmal um schlappe 0,8% bis maximal 1,0% gestiegen. Doch diese Zahlenspiele in den Statistiken verschleiern und verzerren mit den so genannten Durchschnittswerten die Wirklichkeit in ganz erheblicher Form. Die Mehrheit in unserer Bevölkerung hat unter Berücksichtigung der staatlichen Unterstützungsleistungen – wie zum Beispiel Sozialhilfe, Wohngeld oder Arbeitslosengeld – heute mindestens sechsmal sowenig Einkommen wie die oberen Hunderttausend. Die statistisch feststellbaren Steigerungen der Einkommen sind deshalb weitgehend auf die oberen 10% bis 15% der deutschen Bevölkerung begrenzt. Der noch so bezeichnete Mittelstand kann bestenfalls einen Stillstand verzeichnen, obwohl realistisch betrachtet es auch hier zu erkennbaren Rückgängen gekommen ist. Besonders Handwerker, Freiberufler und Selbständige haben unter den spürbaren Einkommenseinbußen zu leiden. In der so dargestellten Eurozone sind für die vorgenannten Einkommensrückgänge zwischen 10,3% und 14,7% bereits die Normalität. Die vermögendsten 10% unserer Bevölkerung besitzen mit rund 48% nicht nur fast die Hälfte des gesamten Volksvermögens, sondern konnten ihren Anteil daran seit 1998 deutlich um circa 4% steigern. Die OECD hat auf der Suche nach den Auslösern der Flächenarmut auf einen entscheidenden Aspekt aufmerksam gemacht, der von den Medien unbeachtet blieb.
Die Steuerreformen in unserer Heimat, so die
Kernaussage der OECD,
hätten bei uns zu einer
dramatischen sozialen Schieflage
geführt. Entlastet worden seien vor allem international tätige Multikonzerne, gut verdienende Topmanager, Kapitaleigner sowie einige Freiberufler. Dagegen werden bis heute abhängig Beschäftigte – so genannte Geringverdiener – und alleinerziehende Mütter und Väter von bis zu drei Kindern überhaupt nicht entlastet, sondern im Gegenteil sogar deutlich stärker als jemals zuvor belastet. Wie sagte kürzlich ein Berliner Politiker in vermeintlich intimer Runde in zynischer Form:
„Wer keine Lobby hat muss eben leiden“.
Die selbstausgerufenen Eliten in unserer Heimat sowie auch im Rest von Europa sind eben keine neutralen Sachwalter für die Nutzmehrung der Bevölkerung, sondern sie verfolgen durchaus bewusst und vorsätzlich ganz massiv ihre eigenen Interessen. Eine derartige Entwicklung lässt die Frage nach der Kräfteverteilung und Kräfteentwicklung wachsen. Entscheidend werden vermutlich hierfür in Zukunft drei Faktoren werden:
1.
Die in breiten Teilen der Bevölkerung
fest verankerten Wertevorstellungen und die anschwellende Bereitschaft zum Widerstand – Wutbürger etc. … .
2.
Das gestörte Verhältnis der breiten Bevölkerung
zu den parlamentarischen Möglichkeiten der Einflussnahme.
3.
Die dauerhafte stabile Organisation
gegenläufiger sozialer und kollektiver Interessen
zur Korrektur der beanstandeten Zustände.
In fast allen gesellschaftlichen Klassen, mit der Ausnahme der Upper – Class, reift die Überlegung zur Hinterfragung der Machtverhältnisse und der damit verbundenen drastischen Reduzierung der wirtschaftlichen Macht der herrschenden Klasse. Erkennbar wächst in der äußerst RECHTEN und LINKEN Szene ein beträchtlicher Prozentsatz, der zu massenhaften sowie auch zu militanten Aktionen bereit ist.
Die aktuelle Verteilung von
Armut und Reichtum
haben durch die Agenda 2010, Hartz IV sowie durch die prekäre Leiharbeit eine neue Dimension des Kräftemessens hervorgerufenen. Dies gilt nicht nur in Relation zur Wirtschaft, wo allgemein die Unterstützung der Kapitaleigner hinterfragt wird, sondern
auch in rasant zunehmender Geschwindigkeit der Verärgerung über viele Bereiche der Verwaltung und Justiz. Auch diese sich deutlich abzeichnende Entwicklung kann man bei der OECD über unser Land nachlesen.