Versagen die Eliten?
Teil 60
Rückkehr der Realität
02. August 2011
Mit dem Ende des sogenannten Kalten Krieges flammte in unserer Heimat die Hoffnung auf, dass der Fall der Mauer den Menschen in der Welt eine friedvolle Zukunft bescheren könnte. Die Kriegshandlungen in Ex – Jugoslawien, im Kosovo sowie die Anschläge in New York und die nachfolgenden Feldzüge gegen den Irak und Afghanistan deuten in eine andere Richtung. Die sehr hochfliegenden Träume, Wünsche und Prognosen der friedliebenden Menschen sind dadurch auf brutalste Weise zerstört worden. Großmachtsansprüche, Religionsverblendungen und ethische Zugehörigkeiten sind die Nahrung für ständig auflodernde blutige Konflikte. Anfang der neunziger Jahre des vorigen Jahrtausends waren Hoffnung und Optimismus noch verständlich und universell. Der folgende Determinismus gebar zwei Annahmen, die die Strategie in der Politik bestimmten und die Erwartungen wachsen ließ. Der Glaube an den Fortschritt und der Wunsch nach politischer Geduld und Zurückhaltung. Die Welt sieht aber anders aus, sodass die Annahmen und Erwartungen enttäuscht wurden. In Asien wächst bis heute die Ansicht, dass ein imperial ausgerichtetes Amerika keinerlei stabilisierende oder gar friedenstiftende Wirkung ausüben kann. Selbst auf Europa könnte dieser destabilisierende US – Effekt noch gravierende Auswirkungen haben. Die fatale Vorstellung, dass eine starke Position der USA im Nahen Osten zu mehr Stabilität führen könnte, wird täglich widerlegt und ist völlig unrealistisch. Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass seit rund 220 Jahren in dieser Region fremde und einheimische Kräfte um die Vorherrschaft kämpfen [ siehe Kreuzritter etc. … ]. Die aktuelle Ausprägung des islamischen Fundamentalismus hat lediglich eine neue und bedrohliche Dimension hervorgebracht. Selbst die Verstärkung der amerikanischen Präsenz könnte den schwelenden Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern nicht beenden. Und ein völliger Truppenabzug würde dazu führen, dass neue Mächte das politische Machtvakuum sofort füllen. Dies gilt auch im weiteren Sinn für wirtschaftspolitische Szenarien. Die Weltordnung kann nicht länger auf Ideen und Institutionen der USA fußen, denn diese obsolete Form der Weltordnung spiegelt lediglich die Machtverteilung nach dem Zweiten Weltkrieg wider. Eine sich bildende multipolare Welt mit China, Indien, Russland und Europa würde besser eine eigene Ordnung mit anderen verbindlichen Regeln und Normen benötigen. Ob eine solche neue Weltordnung den Mächtigen in Washington zusagen und so gut bedienen würde wie das bestehende Modell, bleibt fraglich. Als amerikanischer Politiker – ob nun Taube oder Falke – man müsste eine neue Weltordnung konsequent ablehnen. Schon die Schaffung neuer Instrumente, um die völkerrechtliche Legitimation von militärischen Aktionen zu beurteilen, würde in Washington auf erbitterten Widerstand stoßen. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen erfüllt diesen Zweck schon lange nicht mehr und ist im Grunde hoffnungslos paralysiert. Neue Grundlagen und Instrumente könnten hier durchaus Friedvolles bewirken. Die politischen Scheuklappen der Mächtigen in Washington häufen überall den Frust an. Vielleicht bietet die Epoche, an deren Anfang wir stehen, Antworten auf die Frage, ob Imperialismus besser ist als Friedensliebe. Man kann auch unannehmbare Formen des Totalitismus mit friedlichen und demokratischen Mitteln bekämpfen. Allerdings löst die Weiterführung der imperialen Strategie der USA berechtigterweise weltweite Ablehnung aus.
Die Folgen der US – Finanz- und Wirtschaftskrise sind noch nicht überwunden und unser Land schiebt ein gefährliches Milliardendefizit vor sich her. Angesichts der geplatzten Träume aus der Anfangszeit nach dem Kalten Krieg wird die friedliebende Welt entscheiden müssen, wie es weiter gehen soll. Denn was amerikanische Regierungen von der Weltmeinung halten, ist in den kriegerischen Handlungen in Lybien oder Afghanistan ablesbar. Die Verachtung für das internationale Recht und seine Institutionen unterstrichen George Walker Bush und Tony Blair anlässlich des damaligen Gipfeltreffens auf einem US – Stützpunkt auf den Azoren. Das Ultimatum an den UN – Sicherheitsrat zum Irakkrieg setzt noch heute Meilensteine der Ignoranz. Die handelnden Politiker in Washington sorgen stets dafür, dass der „Rest“ der Welt erfährt, wie hohl und sinnlos die offiziellen Absichten und Erklärungen anderer Staaten sind. Diese „Bastapolitik“ nach texanischem Faustrecht hat weltweit allen friedliebenden Menschen die
Rückkehr der Realität
verdeutlicht. Die echten Demokraten dürfen die Welt nicht Autokraten oder Despoten überlassen, sondern wir müssen auch in unserer Heimat aktiv an der Gestaltung einer neuen Weltordnung kreativ mitwirken.