Schreiben Bündnis 90 / Die Grünen vom 25. August 2005
Bundesvorstand
Referat Öffentlichkeitsarbeit
BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN Postfach 040609 10063 Berlin
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Herr
Udo Piasetzky
DRSB e.V:
Rudolf ‑ Lensing ‑ Ring 75
40670 Meerbusch
ihre Schreiben zum Thema Rentenreform,
Sehr geehrter Herr Piasetzky,
25. August 2005
sie haben sich wegen der drängenden Probleme der Altersvorsorge an uns gewandt. Ihre Ausarbeitungen werden natürlich an die zuständigen Stellen weitergeleitet. Ich möchte als kleine Zwischenmeldung Ihnen in Kürze unsere Vorstellungen für eine grundlegende Reform der Altersvorsorge darlegen.
Wir setzen auf nachhaltige soziale Sicherung. Dafür ist ein Wandel in den sozialen Sicherungssystemen unverzichtbar. Eine Gesellschaft, die sich rasant verändert, braucht neue Formen der sozialen Sicherung, wenn sie den sozialen Schutz der Bevölkerung zuverlässig bewahren will.
Mit der Rentenreform 2001 wurden bereits entscheidende Weichen gestellt. Nach den damaligen Schätzungen der Rentenversicherungsträger vom Oktober 2003 würde allerdings der Rentenbeitragssatz ohne weitere, kurzfristig wirkende Reformen im Ha auf mindestens 20,3 Prozentpunkte steigen müssen. Die Anhebung der Rentenbeiträge hätte allen Anstrengungen, die Beschäftigung zu steigern, die Lohnnebenkosten zu senken und mit der vorgezogenen Steuerreform die Konjunktur anzukurbeln, entgegengewirkt.
Die Koalition ist sich einig, dass ein Anstieg des Beitrages nicht zu verantworten ist. Nach einer Studie des IAB kostet ein derartig starker Anstieg des Beitragssatzes gut 150.000 Arbeitsplätze. Deshalb muss der Beitragssatz im Jahr 2004 bei 19,5 Prozent gehalten und gesetzlich festgeschrieben werden.
Die Sicherung des Beitragssatzes kommt auch der Rentenversicherung selbst zugute, weil diese Maßnahme das wirtschaftliche Fundament der Rente stabilisiert. Denn ein niedrigerer Beitragssatz bedeutet niedrigere Lohnnebenkosten. Niedrigere Lohnnebenkosten fördern den Beschäftigungsstand und je höher die Beschäftigung, umso mehr wird in die Rentenkassen eingezahlt.
Folgende Maßnahmen sind deshalb auf der Renten‑Klausur am 21.10.2003 zur Stabilisierung des Beitragssatzes beschlossen worden:
Die Anpassung der Renten zum 1. Juli 2004 wird ausgesetzt (" Nullrunde Die Aussetzung der Rentenanpassung ist ein notwendiger Beitrag der Rentner zur Dämpfung der Beitragssatzentwicklung. Ein durchschnittlicher Versicherter wird im kommenden Jahr deshalb rund 8 EUR weniger zur monatlichen Verfügung haben.
Die Rentnerinnen und Rentner übernehmen zum 1. April 2004 vollständig den Beitrag zur Pflegeversicherung. Zurzeit tragen sie den Beitragssatz der Pflegeversicherung zur Hälfte (0,85 Prozentpunkte); die Rentenversicherung übernimmt den Rest. Angesichts der aktuellen finanziellen Lage der Rentenversicherung kann diese Praxis nicht aufrecht erhalten werden. Versicherte mit sehr kleinen Renten werden dadurch nicht benachteiligt, da die Finanzierung der Pflegeversicherung abhängig vom Einkommen erfolgt. Im Gegenzug zu den Belastungen wollen wir die Beitragsentlastung in der Krankenversicherung so schnell wie möglich an die Rentner weitergeben.
Die Schwankungsreserve wird von 50% auf 20% abgesenkt.
Auch bei 20 Prozent einer Monatsausgabe kann diese Reserve unregelmäßig fließende Einnahmen ausgleichen. Damit kann der Beitragssatz um 0,5 Prozentpunkte niedriger ausfallen. Eine Belastung der Rentner wird vermieden und die Auszahlung der Renten ist zu jedem Zeitpunkt gesichert. Die Schwankungsreserve soll mittelfristig zu einer Nachhaltigkeitsrücklage " aufgebaut werden.
Die Rentenauszahlung für Neurentner wird auf das Monatsende verschoben.
Da die meisten Löhne am Ende des Monats ausgezahlt werden, kann die Rentenauszahlung für Neurentner ohne wirtschaftliche Schwierigkeiten für die Betroffenen auch am Monatsende erfolgen.
Neben diesen kurzfristigen Maßnahmen zur Beitragsstabilisierung müssen langfristige Maßnahmen zur Absicherung greifen:
Einführung eines Nachhaltigkeitsfaktors
Dieser stellt sicher, dass die Relation von Beitragszahlern und Rentnern auf die Anpassung der Renten wirkt. Ein Zunahme der Beitragszahler würde zu höheren Anpassungen führen; eine Zunahme der Rentner dagegen zu geringeren Anpassungen. Der Nachhaltigkeitsfaktor schützt die Rentenversicherung besser, als der demografische Faktor, weil er neben der Lebenserwartung auch die Geburtenrate, Zuwanderung und Erwerbsverhalten berücksichtigt.
Anhebung der Altersgrenzen
Die Anreize zur Frühverrentung müssen beseitigt und alle Anstrengungen zur Beschäftigung älterer Arbeitnehmer unternommen werden, um das tatsächliche Renteneintrittsalter zu erhöhen. Die Altersgrenzen für die frühestmögliche Inanspruchnahme der Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit werden zwischen 2006 und 2008 in Monatsschritten von 60 auf 63 Jahren angehoben. Die Erhöhung des tatsächlichen Renteneintrittsalter kann die Rentenversicherung nicht dauerhaft entlasten. Die Diskussion um eine Anhebung des gesetzlichen Rentenalters u deshalb in den kommenden Jahren intensiv fortgesetzt werden.
Veränderungen in der Bewertung von Ausbildungszeiten
Die Bewertung von schulischen Ausbildungszeiten (ab Ende der Schulpflicht, also dem 17. Lebensjahr) als Beitragszeiten soll nach einer 4jährigen Übergangszeit zum 01.01.2009 abgeschafft werden. Die Anrechnung von Ausbildungszeiten entscheidet nicht über die Aufnahme eines Studiums. Akademikerinnen profitieren von ihrer Ausbildung vor allen Dingen am Arbeitsmarkt. Ihre Arbeitslosenquote ist halb so hoch wie die Arbeitslosenquote der gesamten Erwerbsbevölkerung. Auch das Durchschnittseinkommen der Akademikerinnen ist deutlich höher als das der gesamten Erwerbsbevölkerung. Gute Verdienste und ein geringeres Risiko der Arbeitslosigkeit: Davon profitieren Akademikerinnen auch in der Rentenversicherung. Darum ist es ihnen zuzumuten, wenn in Zukunft keine Beitragszeiten mehr auf ihr Studium angerechnet werden . Da die Anrechnungszeiten bestehen bleiben, entstehen hierdurch keine Rentenlücken. Wir setzen uns aber dafür ein, dass schulische Ausbildung mit der dualen beruflichen Ausbildung gleichgestellt bleibt. Es sind besonders Frauen, die häufiger in Schulen ausgebildet werden und Berufe wie Erzieherin, Hebamme, Logopädin, Ergotherapeutin, medizinisch‑technische Assistentin erlernen. So lange betriebliche Ausbildungszeiten als Beitragszeiten auf die Rente angerechnet werden, soll dasselbe für schulische Ausbildungszeiten gelten, da ansonsten Frauen benachteiligt würden.
Darüber hinaus muss die ergänzende Altersvorsorge gestärkt werden. Dazu haben wir folgende Maßnahmen festgelegt:
Vereinfachung der Riester‑Rente
Diese Förderung soll einfacher, verständlicher und flexibler gestaltet werden, damit ihre Akzeptanz erheblich steigt. So wird der Sockelbeitrag für Geringverdiener vereinheitlicht, der Antrag auf Zulage muss nicht mehr jährlich, sondern nur noch zu Beginn gestellt werden und es soll künftig möglich sein, die Riester‑Rente auch im Ausland zu beziehen.
Verbesserung der Übertragbarkeit von betrieblicher Altersvorsorge
Inzwischen haben 57 Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten eine betriebliche Alterssicherung. Diese muss noch stärker auf die Anforderungen des modernen Arbeitsmarktes ausgerichtet werden. Konkret muss dem Arbeitnehmer das Recht eingeräumt werden, beim alten Arbeitgeber erworbenes Kapital in eine Einrichtung der betrieblichen Altersvorsorge eines neuen Arbeitgebers mitzunehmen.
Modernes Management der Rentenversicherungsträger
Die Verwaltungsstrukturen der Gesetzlichen Rentenversicherung müssen hinsichtlich ihrer Wirtschaftlichkeit und Effektivität durch Abbau von Bürokratie verbessert werden. Wichtigste Neuregelung ist dabei die Schaffung eines Bundesträgers mit integriertem Dachverband, die Zahl der Versicherungsträger wird durch Fusion reduziert und die Verwaltungs‑ und Verfahrenskosten um 10% gesenkt.
Besteuerung von Alterseinkommen
Das Bundesverfassungsgericht hat die Bundesregierung verpflichtet, die Besteuerung der Alterseinkommen neu zu regeln. Wir haben beschlossen, die Rentenbeiträge von Arbeitgebern und Arbeitnehmern schrittweise von der Besteuerung freizustellen. Auf der anderen Seite werden ab 2005 schrittweise die gesetzlichen Renten besteuert, Ab dem Jahr 2040 sollen Renten in vollem Umfang versteuert werden. Diese Regelung wird zu einer Entlastung der Beschäftigten und zu einer Belastung der Rentnerinnen und Rentner führe Die Maßnahme wird zu Mehrbelastungen führen, die aber sozial vertretbar sind
die Steuerpflicht für Alleinstehende erst ab Bruttorenten von 18.500