DRSB
Deutscher Rentenschutzbund e.V.
„Offshore”
Die neue Kunst der Buchungsfehler?
von
Udo Johann Piasetzky
Vorstandsvorsitzender des DRSB e.V.
und
Rechtsanwalt Heinrich Sternemann
Vorsitzender der Antikorruptionskommission des DRSB e.V.
und
Steuerberater Hans – Josef Leiting
Vorsitzender der Rentenkommission des DRSB e.V.
Meerbusch, den 27. Juli 2007
Sensationsnachrichten über versehentliche Buchungsfehler von Konzernen häufen sich in den letzten Wochen in den Medien.
Die anscheinend „nicht betroffenen” Bürger überlesen solche Medienberichte und denken sich eigentlich nichts „Böses” dabei, wenn Konzernbilanzen repariert werden sollen.
Was aber passiert bei den betroffenen Konzernen wirklich?
Durchleuchten wir also einmal die Buchungssysteme, die zurzeit in einer globalisierten Geschäftswelt zum Einsatz gebracht werden können.
In einem Jahresabschluss
sind alle Geschäftsvorfälle eines Unternehmens nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Rechnungslegung
mit Hilfe der so genannten doppelten Buchhaltung geordnet und systematisch darzustellen.
Zum Bilanzstichtag sind alle Vermögensgegenstände und Schulden des Unternehmens aufzunehmen.
Vermögensgegenstände und Schulden, die nicht in monetärer Größe feststehen, sind nach klaren und strengen Vorschriften zu bewerten.
Die Erkenntnisse, die bis zur Erstellung und Prüfung des Jahresabschlusses gewonnen werden, sind hierbei mit einzubeziehen.
Nach abschließender Prüfung wird der Jahresabschluss von Konzernen nach Gesetz und Satzung festgestellt und genehmigt.
Neue Erkenntnisse,
die nach Feststellung und Genehmigung des Jahresabschlusses gewonnen werden, sind grundsätzlich im Jahresabschluss des Folgejahres zu berücksichtigen.
Dieses Vorgehen stellt grundsätzlich für Fachleute kein Problem dar, weil aufgrund des Bilanzzusammenhanges,
Schlussbilanz des Vorjahres
entspricht der Eröffnungsbilanz des Folgejahres,
eigentlich keine Geschäftsvorfälle „verloren” gehen können.
So werden zum Beispiel Verbindlichkeiten eines Unternehmens, welche der Höhe und der Fälligkeit nach noch nicht genau feststehen, als Rückstellungen ausgewiesen.
Die Entwicklungen dieser Rückstellungen werden in den nachfolgenden Jahren fortgeführt, bis sie sich letztendlich mit einer Zahlung auflösen und somit erledigt sind.
Mehr- und Minderaufwendungen werden erfolgswirksam im Jahr der Abwicklung erfasst.
Eine Notwendigkeit einer rückwirkenden Bilanzberichtigung oder Bilanzänderung gibt es im Normalfall nicht.
Ausnahmen hierzu könnten nur bestehen,
wenn Geschäftsvorfälle, sprich Zahlungsvorgänge, in der Vergangenheit gar nicht erfasst waren oder „falsch” gebucht wurden.
Falsche Bewertungen von Anlage- und Umlaufvermögen
lassen sich durch eine Neubewertung immer wieder richtig stellen.
Ein Grund für eine rückwirkende Bilanzberichtigung könnte zum Beispiel die Unvollständigkeit des Konsolidierungskreises für den Konzernabschluss sein, wenn zum Beispiel
„versehentlich”
eine Tochtergesellschaft nicht im Konzernabschluss erscheint.
Normale „Buchungsfehler” lassen sich wegen des Bilanzzusammenhanges später aufgrund von neuen Erkenntnissen immer wieder korrigieren, da das System
„doppelte Buchhaltung” selbst keinen Geschäftsvorfall „verlieren” kann.
Das System der doppelten Buchhaltung erfasst alle Vorgänge des Unternehmens, indem die Mittelherkunft und die Mittelverwendung gleichzeitig buchhalterisch erfasst werden.
Dieses System ist in sich geschlossen,
streng logisch aufgebaut und enthält eine glasklare Systemstruktur.
Die einfachen mathematischen Systeme
der doppelten Buchhaltung lassen selbst keine Unschlüssigkeiten und Widersprüche zu.
Erfinder dieses Systems war ein
Professor Luca Pacioli
aus Venedig, der im 15. Jahrhundert dies geniale Buchungssystem als erster zu Papier brachte.
Der einzige Unterschied von heute zu damals besteht darin, dass Buchhalter keine Ärmelschoner mehr tragen und das System Buchhaltung durch den Einsatz der EDV schneller, aber keineswegs perfekter geworden ist.
An der Perfektion und Genialität dieses Systems hat sich seit dem 15. Jahrhundert bis heute nichts geändert.
Da alle wirtschaftlichen Vorgänge mit einer Zahlung enden, sind diese automatisch in der Finanzbuchhaltung erfasst und dokumentiert.
Es ist allgemein bekannt,
dass in bestimmten Ländern der Erhalt eines Auftrages mit „Schmiergeldzahlungen”
erheblich erleichtert werden kann.
Bis zum Kalenderjahr 1996 konnten so genannte „Schmiergeldzahlungen”, insbesondere in der Exportwirtschaft, steuerlich tatsächlich abgesetzt werden.
Seit 1999 wird wegen der abstrakten Strafbarkeit von „Schmiergeldzahlungen”
der Betriebsausgabenabzug versagt.
Finanzbeamte müssen bei einem Verdacht von Schmiergeldzahlungen nach § 30 der Abgabenordnung diesen Vorgang direkt der Staatsanwaltschaft melden, auch wenn diese Zahlungen steuerlich nicht als Betriebsausgaben geltend gemacht werden.
Da „Not” bekanntlich erfinderisch macht, wurde vereinzelt seitens der Wirtschaft versucht, einen „Ausweg” aus dieser Falle zu finden.
Echte Provisionszahlungen an einen fremden Dritten für die Vermittlung eines Auftrages sind zurecht als Betriebsausgaben zulässig.
Um eine Rechtsbeziehung zu einem fremden Dritten zu simulieren, muss zunächst eine vertragliche Beziehung zu einem „Fremden” aufgebaut werden, um anschießend
„Schmiergeldzahlungen”
als „gepufferte” Provisionszahlungen zu deklarieren.
Dieser „Fremde” heißt neuerdings oftmals
Offshore – Gesellschaft.
Offshore – Gesellschaft ist aus dem englischen Sprachgebrauch abgeleitet und bezeichnet eine Gesellschaft, die in einem steuerbegünstigten Land, einer so genannten Steueroase, liegt, so zu sagen
„offshore”
( küstenfern )
Steueroasen sind in den meisten Fällen kleine Länder, die im Verhältnis zu den dort stattfindenden finanziellen Transaktionen wegen ihrer Größe und Einwohnerzahl nur geringe operative Wirtschaftsaktivität aufweisen.
Hierzu zählen zum Beispiel
Bahamas,
Cayman – Inseln,
Kanalinseln
und
Monaco.
Die Liste kann beliebig fortgesetzt werden und umfasst aktuell circa 50 Länder.
Länder in Europa, wie zum Beispiel Luxemburg, Lichtenstein und die Schweiz, werden aufgrund der niedrigen Steuersätze und der manchmal „günstigen” Rahmenbedingungen ebenfalls zu den Steueroasen gezählt.
Es gibt viele Möglichkeiten, die Steuerlast durch Nutzung einer Steueroase zu kürzen,
indem versucht wird, operative Gewinne durch Leistungsabrechnungen über andere Gesellschaften in Steueroasen zu verlagern.
Die Einzahlung des Stammkapitals in eine neu gegründete Offshore – Gesellschaft ist in den Büchern des Gesellschafters als Beteiligung in der Bilanz auszuweisen.
Zur Vermeidung des Ausweises dieser Beteiligung in der Bilanz wird vermutlich dieser Vorgang vertuscht.
Üblicherweise wird der Gründungsakt über ein Treuhandverhältnis in einem Steueroasenland abgewickelt.
Die „Gründungskosten” werden dann zum Beispiel anstelle eines Ausweises über eine Beteiligung in der Bilanz in der Gewinn- und Verlustrechnung hilfsweise als
Rechts- und Beratungskosten
ausgewiesen.
Das Vorhandensein einer Beteiligung in den Büchern der Gesellschaft ist somit nicht mehr ersichtlich.
Über diese ausländische Offshore – Gesellschaft werden wahrscheinlich „legal” Provisionen abgerechnet, um anschließend im Ausland über schwarze Kassen die eigentlich gewollten
„Schmiergeldzahlungen”
abzuwickeln zu können.
Ein solches Vorgehen macht aber nur in Ländern Sinn, in denen „Schmiergeldzahlungen”
als Betriebsausgaben auch abzugsfähig sind.
Zur Vermeidung eines
„Störgefühls”
bei einem deutschen Finanzbeamten werden daneben womöglich
Offshore - Gesellschaften
nur in größeren Ländern gegründet, in denen operative Geschäfte in dieser Form auch erbracht werden und sich das Leben nicht nur am Strand und am Swimmingpool abspielt.
Die Schweiz zum Beispiel
ist für solche Transaktionen bestens geeignet.
Ist eine Offshore – Gesellschaft einmal gegründet, können horizontal und vertikal weitere Gesellschaften als Netzwerk angebunden werden.
Solange es also keine verbindlich einheitlichen
Regelungen zur Bekämpfung von Korruption gibt, werden immer wieder Wege gesucht und gefunden, Korruption über Drittländer durch
„gepufferte” Offshore – Gesellschaften
abzuwickeln.
Die EU – Politiker sind daher gefordert, innerhalb der EU und weltweit, einheitliche staatliche Regelungen im Kampf gegen Korruption festzulegen.
„Offshore”
ist deshalb nicht die neue Kunst der Buchungsfehler, sondern gezielter Entzug von zu versteuernden Einkünften zu Lasten aller
ehrlichen
Bürger und Unternehmen.
DRSB,
Wir kämpfen seit 19 Jahren mit der Stimme der Demokratie
für
einen modernen Sozialstaat,
sichere, langfristige Arbeitsplätze,
sinnvolle, gerechte und lernfähige Rentensysteme,
sichere, gerechte und leistungsfähige Sozialsysteme,
und für
korruptionsfreie Demokratie in Deutschland und der EU.