Infobrief – 31. Januar 2013 / Abstimmen bis zum Abwinken?

Abstimmen bis zum Abwinken?

 

Wie viel echte Demokratie steckt tatsächlich in der EU? Die ständigen Manipulationen im Umgang mit der EU – Verfassung erinnern eigentlich mehr an eine Diktatur, als an eine funktionierende Demokratie. Je nach Bedarf und frei nach dem Motto: „Das Angenehme darf sein – das Unangenehme nicht“- > biegen sich die Politiker in Brüssel ungeliebte Volksabstimmungen zurecht. Wen kümmert es da schon in Brüssel, Paris, London, Rom oder Berlin, dass in Irland die Mehrheit der Menschen gegen den nur noch so genannten „EU – Vertrag“, votierten. Demokratisch abgelehnt – bleibt legitimiert abgelehnt.

 

In einer solch klaren Situation auf die irischen Politiker Druck auszuüben, damit das Abstimmungsergebnis noch „gedreht“ werden konnte, zeugt von ungenügendem  Demokratie – Verständnis und von bloßer Machtbesessenheit. Ohnehin hatten die Menschen in der EU keinerlei Einfluss auf die Inhalte dieses geheimnisvollen „europäischen Projektes“. Als nämlich am Anfang der EU – Verfassung der heutige so bezeichnete EU – Vertrag noch EU – Verfassung genannt wurde, da wurde dieses Machwerk reihenweise von National – Parlamenten angenommen, obwohl das dubiose Stück Papier zuvor bei Volksabstimmungen in Frankreich und den Niederlanden von den Bürgern strikt abgelehnt wurde. Innerhalb weniger Tage wurde durch diese Volksabstimmungen Ende Mai / Anfang Juni 2005 die Ratifizierung der EU – Verfassung unmöglich. In Großbritannien führte damals die total verängstigte Regierung die dem Volk versprochene Volksabstimmung erst gar nicht mehr durch und in Frankreich änderte man sogar die Verfassung, damit der „Lissabon – Vertrag“ [ EU - Vertrag ]  ohne Berücksichtigung der erfolgten ablehnenden Volksabstimmung doch noch durch gewunken werden konnte.

 

Exakt ein halbes Jahrhundert nach der Gründung der EWG / europäischen Wirtschaftsunion, der Vorläuferin der heutigen EU, gaben die verärgerten Menschen in Frankreich und den Niederlanden mit 79% und 78% NEIN – Stimmen der europäischen Politiker – Elite eindeutig die „rote Karte“. Vor allem die Arbeiter lehnten die EU – Verfassung mit einer überwältigenden Mehrheit ab. Bei den Angestellten und Beamten sah das Abstimmungsverhalten ähnlich aus. Lediglich höher verdienende Angestellte und Beamte gaben der EU – Verfassung ihre JA – Stimme. Selbständige Handwerker und Gewerbetreibende stimmten überwiegend mit NEIN. Bei den freiberuflich tätigen Akademikern sowie bei den mittelständischen Unternehmern hielten sich die JA- und NEIN – Stimmen die Waage. Einige niederländische Befürworter werteten das für sie niederschmetternde Ergebnis, als „Erdrutsch gegen die gesamte niederländische Elite“. Eine durchaus verständliche Einstellung der Betroffenen, denn so gut wie alle maßgeblichen Vertreter der Medienszene, der Wirtschaft und der Politik warben damals wochenlang massiv für die Zustimmung zur EU – Verfassung. Ein fast vergleichbares Feuerwerk für eine Zustimmung wurde auch in Frankreich nutzlos abgebrannt, obwohl hier sogar die kommunalen Verwaltungen und die Justiz die Fraktion der „Zustimmer“ aus Medien, Wirtschaft und Politik erheblich verstärkten. Die Mehrheit der Menschen folgte ihnen nicht.

 

Die zunehmende Skepsis und direkte Ablehnung spiegeln die unterschiedlichen materiellen Lebensbedingungen sowie die stetig wachsende Kluft zwischen den verschiedenen Bevölkerungsteilen in den europäischen Ländern, vor allem die unüberbrückbaren Gräben zwischen Arm und Reich wider. Typisch ist die aktuell anschwellende Diskussion in Frankreich, den Niederlanden und auch in Deutschland über die faulen Schmarotzer in Brüssel, die für viel Geld, wenig leisten müssen. Selbst Topmanager aus europäischen Ländern weisen zwischenzeitlich auf ungute und unsinnige Entwicklungen in der EU hin.

 

Eine solche Argumentation ist auch einfach nicht mehr von der Hand zu weisen, wenn man die ständig steigende spektakuläre Einflussnahme der EU – Kommissare und EU – Behörden auf die Mitgliedsstaaten realistisch betrachtet. Seit 1998 wuchs in Deutschland der Anteil der Armen gemessen an der Gesamtbevölkerung von rund 12% auf über 20% beängstigend an. Besonders stark fällt der Anstieg bei den un- und angelernten Menschen aus, von denen heute schon mehr als jeder fünfte als arm einzustufen ist. Sogar die Gruppe der der ehemals gut verdienenden Facharbeiter ist mittlerweile zu mehr als 17% betroffen. In nur 23 Jahren führten die deutsche und europäische Sozial- und Wirtschaftpolitik immer mehr Menschen gezielt in das Abseits der Alters- und Flächenarmut.

 

Wer aber daran glaubt, dass die EU – Politiker gegensteuern und damit Wohlstand, soziale Gerechtigkeit und sozialen Frieden fördern, irrt gewaltig. Stattdessen brachte die EU – Bürokratie ein paar kosmetische Veränderungen am EU – Vertrag an, benannte ihn um und beschloss, dass dieser so dargestellte „neue Vertrag“ nicht mehr durch Volksabstimmungen, sondern nunmehr durch Abgeordnete und Amtsträger beschlossen werden sollte. Lediglich im „kleinen“ Irland schreibt die Verfassung eine demokratische Volksabstimmung vor. Aufgrund der vielfältigen Werbemaßnahmen sowie der massiven Beeinflussung glaubten damals die irischen Regierungspolitiker fest daran, in ihrem als ausgesprochen EU – freundlichen Land das Risiko einer Volksabstimmung eingehen zu können.

 

Wie sich zeigte, ging der erste Schuss nach hinten los, denn auch die irischen Bürger sind dieser EU überdrüssig und weckten durch die Entscheidung auch den Mut anderer kritischer Kräfte, die man im „Rest“ von Europa vor dem irischen Referendum nicht wahrnehmen wollte. Heute melden sich wieder ernst zu nehmende kritische Bewegungen in der Bevölkerung von Großbritannien, Tschechien, Spanien, Italien und Österreich. In unserer Heimat klagte nicht nur der Bundestagsabgeordnete der CSU, Peter Gauweiler, beim Bundesverfassungsgericht. Die Kernpunkte der Klagen sind hauptsächlich die als gefährliche „trojanische Pferde“ bezeichneten Artikel 48 EUV und [ 308 ] 352 AEUV. Nicht nur diese beiden Vorschriften würden den EU – Rat dazu ermächtigen, Kernbereiche des untauglichen Lissabon – Vertrages selbst, sondern auch andere EU – Verträge, ganz oder zum Teil ohne weitere Legitimation zu ändern. Abgesehen einmal von der Außen- und Wehrpolitik sind solche Änderungen in allen anderen Bereichen ohne demokratisches Einwirken der EU – Bürger sofort möglich. Die von den glühenden Vertragsbefürwortern so gerne genannte, verstärkte Beteiligung des Europaparlaments beschränkt sich dabei wie immer ausschließlich auf eine bloße Anhörung.

So etwas nennt man im Klartext: „Abnicken“.

 

Das europäische Parlament wirkt zwar oberflächlich an der Gesetzgebung mit, kann aber im „Ernstfall“ die eingebauten Defizite nicht beheben oder gar beseitigen. Die EU entwickelt sich deshalb in die Richtung eines Sammelbeckens für demokratische Mängel. Nach den katastrophalen Umfrageergebnissen der letzten Wochen wissen auch die noch verbliebenen EU- und Euro – Träumer in Berlin, dass sich selbst in Deutschland nur noch eine relativ kleine Minderheit der Menschen für einen Verbleib in der EU und im Euro ausspricht. Die Demokratie, so erscheint es immer mehr Menschen in Europa, ist bereits in Brüssel vollkommen beschädigt worden. Die Vorstellungen von einer Verantwortlichkeit der Politiker gegenüber den Bürgern wurden hier deutlich erkennbar außer Kraft gesetzt. Ein Staatsgebilde mit derartigen Defiziten hätte nicht die geringste Chance als Beitrittskandidat von der EU oder der UNO akzeptiert zu werden.

 

Ist es in einer solchen Situation nicht angebracht, über den Inhalt der unbekannten EU – Verfassung in allen Mitgliedsstaaten, also auch in Deutschland, einen verbindlichen Volksentscheid herbei zu führen?

 

Gleichzeitig bestünde sogar die Möglichkeit, wie im deutschen Grundgesetz [ Artikel 146 ] vorgesehen, über eine echte deutsche Verfassung abzustimmen und 68 Jahre nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges allen Deutschen die demokratische Chance zu öffnen ihr eigenes neues Demokratie – System mit einer vom Volk unmittelbar bestimmten und legitimierten Verfassung zu schaffen.

Veröffentlicht unter Alle Artikel, Infobriefe

Hinterlasse eine Antwort

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *

*

Du kannst folgende HTML-Tags benutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <strike> <strong>