Gastbeitrag
ANONYMISIERT
Odyssee der Agenda 2010
Mit der Agenda 2010 befindet sich die Bundesrepublik Deutschland seit 20 Jahren auf dem Irrweg. Die Überflutung mit immer neuen Altersvorsorge-Modellen und immer neuer Reformen hat die Bürgerinnen und Bürger völlig überfordert. Mit dem so bezeichneten Betriebsrentenstärkungsgesetz sollte ursprünglich eine weitere Verbreitung von betrieblicher Altersvorsorge erreicht werden – insbesondere bei kleinen und mittleren Unternehmen und bei Arbeitnehmern mit niedrigem Einkommen. Ab dem 01. Januar 2022 müssen Arbeitgeber einen Pflichtzuschuss zu den Beiträgen an die Versicherungen zur betrieblichen Altersvorsorge von 15% leisten, wenn sie aufgrund von Gehaltsumwandlungen zuvor den Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung eingespart haben. Dieser Pflicht-Zuschuss ist vom Arbeitgeber direkt an die Versicherungsgesellschaften auszuzahlen. Dem Arbeitnehmer darf kein Nachteil bei seiner Gehaltsabrechnung im Nettolohn entstehen. Die Bemessungsgrundlagen in der Sozialversicherung sind unterschiedlich. Die Beitragsbemessungsgrenze zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung beträgt in den alten und neuen Bundesländern im Kalenderjahr 2021 monatlich einheitlich 4.837,50 Euro. Die Beitragsbemessungsgrenze zur gesetzlichen Rentenversicherung beträgt in den alten Bundesländern monatlich 7.100,00 Euro und in den neuen Bundesländern 6.700,00 Euro. Dem Arbeitgeber wird das Recht eingeräumt, seinen Pflichtzuschuss von 15% zur betrieblichen Altersvorsorge „spitz“ abzurechnen. Den Arbeitnehmern wird das Recht eingeräumt, den eigenen Beitrag unverändert zu lassen oder teilweise zu reduzieren. Für jeden Einzelfall ist im Arbeitsvertrag und im Versicherungsvertrag die Vertragslage anzupassen.
Von dieser Regelung sind folgende Förderwege der betrieblichen Altersvorsorge betroffen:
1.
Pensionskasse
2.
Pensionsfonds
3.
Direktversicherung
Von dieser gesetzlichen Neu-Regelung sind die Durchführungswege
1.
Direktzusage
2.
Unterstützungskasse
nicht betroffen. Zur Umsetzung der gesetzlichen Auflagen zum Arbeitgeber-Pflichtzuschuss zur Entgeltumwandlung werden die EDV-gestützten Gehaltsabrechnungen um die Schlüsselung neuer Lohnarten erweitert, die je nach der Ausübung des Wahlrechts zu einer unterschiedlichen Abrechnungsmethode führt. Je nach Fallkonstellation und ausgeübtem Wahlrecht kommen die Abrechnungsmethoden
1.
„Auf Hundert“
2.
„Von Hundert“
3.
„In Hundert“
zur Anwendung.
Das ist selbst für Fachleute eine Sisyphusarbeit!
Den Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter in der Lohn- und Gehaltsabteilung von Unternehmen und in der Steuerberatung für ihre Mandanten stehen nach den bereits vorliegenden Einführungs-Rundschreiben im Umfang von mehr als 12 Seiten mit verschiedenen Fall-Beispielen die Haare zu Berge. Die Arbeitsabläufe in Unternehmen werden leiden, wenn sich die Belegschaft gegenseitig aufbürstet und vor der Lohn- und Gehaltsabteilung Schlange stehen, weil sie ihre Lohn- und Gehaltsabrechnungen nicht mehr verstehen. Die Neuregelung ab dem 01. Januar 2022 gleicht einem künstlich geschürten Klassenkampf alter Prägung. Die Neuregelung im Betriebsrentenstärkungsgesetz ist ein bürokratisches Monsterwerk und ein Sturm im Wasserglas zugleich. Von Seiten der Arbeitgeber aber auch von Seiten der Arbeitnehmer werden sich vermutlich einige schwarz ärgern, dass sie sich dem Modell der betrieblichen Altersvorsorge freiwillig angeschlossen haben. Im Koalitionsvertrag des Kalenderjahrs 2018 zwischen Union und SPD war vereinbart, dass es eine Reform der Riester-Rente geben soll.
Anfang des Jahres 2021 wurde diese Vereinbarung ersatzlos aufgegeben!
Die vermurkste Riester-Rente kocht quasi auf dem Herd vor sich hin, obwohl sich schon längst kein Wasser mehr im Kochtopf befindet. Denn in einer Vielzahl von Fällen werden aufgrund von Frustration die Riester-Verträge von den Riester-Sparern einfach nicht mehr bedient. Das wird auf Dauer nicht gut gehen und beinhaltet sozialpolitischen Sprengstoff mit dem Risiko von sozialen Unruhen. Auch die Modelle der privaten Altersvorsorge
1.
„Riester“ aus dem Kalenderjahr 2001
2.
„Rürup“ aus dem Kalenderjahr 2004
stehen vor der notwendigen Abschaffung und Rückabwicklung. Vor der Bundestagswahl hatten sich bereits alle Parteien von dem Modell Riester-Rente verabschiedet.
Immer dann, wenn nichts mehr läuft,
wird in Berlin wieder ein neues Fass angeschlagen!
Eine Reform jagt die nächste. Aufwand und Nutzen stehen in keiner Relation. Der Aktionismus aus dem Bundesfinanzministerium scheint der Ablenkung zu dienen. Der große Wurf will einfach nicht gelingen. Durch den künstlich erzeugten Regelungswahn von 5 Modellen bei der betrieblichen Altersvorsorge und von den 2 Modellen bei der privaten Altersvorsorge kann keiner behaupten:
Wir sind auf den richtigen Weg.
Alles muss auf den Prüfstand. Das gesamte – immer so hoch gelobte – 3-Säulen-Modell aus gesetzlicher, betrieblicher und privater Altersvorsorge ist für abhängig Beschäftigte wie ein Dschungel, aus dem es kein Entrinnen mehr gibt. Selbständige befinden sich ohne eine gesetzlich geregelte Altersvorsorge bereits in der Renten-Wüste. Für Berufs-Politiker und für Beamte wurde eine üppige Altersvorsorge geschaffen. Nur mit einem einheitlichen Altersvorsorge-System aus einer verpflichtenden gesetzlichen und einer freiwilligen privaten Altersvorsorge für alle Bürgerinnen und Bürger – unabhängig von ihren Erwerbsbiografien – wäre ein Entrinnen aus diesem Teufelskreis noch jederzeit möglich.
Doch die Odyssee der Agenda 2010
wirft auf die neue Bundesregierung bereits ihre dunklen Schatten voraus.
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