„Die Nachwehen der US – Kriege”
Teil 95
Die Macht kommt
aus dem Lauf der Gewehre
11. Februar 2011
Wenn man diesen Spruch liest, dann denkt man sofort an Politiker aus den USA. Doch weit gefehlt, denn der Ausspruch stammt von Mao Zedong, der eine militärische Elite in China heranzüchten wollte. Die Aufstellung der chinesischen Volksbefreiungsarmee in Yenan brach mit allen bekannten Traditionen und förderte das Ansehen der chinesischen Streitkräfte. Die heutigen chinesischen Streitkräfte haben mit dem Massenheer der proletarischen Samurai des Mao Zedongs überhaupt nichts mehr gemeinsam. Seit mehr als dreißig Jahren haben die Designer der chinesischen Armee mit antiquierten Ritualen gebrochen. Die chinesische Armee hat sich zu einem Rückgrat des Staates entwickelt. Sie hat maßgeblichen Anteil am gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und industriellen Aufschwung. In dem Maße, wie die kommunistische Ideologie durch den Weg des Pragmatismus ersetzt wurde, stieg das politische Gewicht des Militärs. Der Vater von George Walker Bush war als ehemaliger CIA – Chef und US – Botschafter in Beijing [ Peking ] über die Entwicklungen in China stets blendend informiert. Er wusste, dass die Volksbefreiungsarmee, die im Februar 1962 indische Gebirgsjäger vernichtend schlagen konnte, erbärmlich ausgerüstet war. Schon nach dem Ausbruch des Koreakrieges im Jahr 1950 wurden die gut ausgerüsteten US – Truppen mit vorsintflutlichen chinesischen Waffensystemen von der mandschurischen Grenze bis zum 38. Breitengrad zurückgedrängt. Hätte damals US – Präsident Harry S. Truman seinen Volkshelden General McArthur nicht heftig zurückgepfiffen, so hätte dieser womöglich im Jahr 1951 den Durchbruch der chinesischen Truppen mit Atombomben stoppen wollen. China und die USA standen am Rande eines Nuklearkrieges. Man war also seitdem in Beijing [ Peking ] immer wachsam und auf das Schlimmste gefasst. Als direkte Folge wurde zum Beispiel die U – Bahn in Beijing [ Peking ] zu einem gigantischen Schutzsystem aus atomsicheren Bunkern ausgebaut. Nachdem es 1969 zu sehr heftigen militärischen Zwischenfällen zwischen der roten Sowjetarmee und der chinesischen Volksarmee am Ussuri kam, wollte die Sowjetführung unter Leonid Breschnew in Moskau ebenfalls mit einem „vorsorglichen” Nuklearschlag gegen China das „Problem” final zur Lösung bringen. Mit der Hilfe von Informationen aus den USA konnten die Chinesen einen Nuklearschlag verhindern. Aber selbst Megaverluste von 200 Millionen Chinesen hätten das Reich des Drachens damals vermutlich nicht auf die Knie zwingen können. Es ist noch immer der unbestreitbare Verdienst von
Henry Kissinger,
dass er gegen alle Widerstände die Reise von US – Präsident Richard Nixon nach Beijing [ Peking ] im Jahr 1973 organisierte. Viele hochrangige US – Offiziere hielten damals eine schrittweise Normalisierung der Beziehungen zwischen China und den USA für schwachsinnig. Damals wie heute hätte die leichtfertige Art der grandiosen militärischen Selbstüberschätzung umgehend in ein militärisches Desaster geführt. Die Macht, die aus dem Lauf von chinesischen Gewehren gekommen wäre, hätte dem damaligen Kalten Krieg ein jähes Ende bereitet, obwohl die chinesischen Truppen damals völlig unzulänglich mit Artillerie, funktionierenden Panzerfahrzeugen oder verlässlichen Kommunikationssystemen ausgerüstet war. Nicht ganz ohne Grund halten sich die Verfechter von militärischen Lösungen in Washington jetzt zurück, denn das chinesische Militär hat exponentiell in den zurückliegenden zwanzig Jahren aufgeholt. Die Macht die heute aus dem Lauf der chinesischen Gewehre kommt, dürfte sich tausendfach vervielfältigt haben. Die politische Führung in Beijing [ Peking ] betrachtet deshalb das Engagement der USA beim Aufbau von Stützpunkten in Zentralasien nach wie vor sehr kritisch. Der fast schon lückenlose Ring der US – Basen von Japan, Okinawa, Taiwan über Südkorea bis zu den Philippinen wird ergänzt durch militärische Anlagen in Pakistan.
Quasi vor der Haustüre der Chinesen.
Im Pentagon wird immer noch darauf spekuliert, dass dieser Umklammerungsring durch Stützpunkte in Indien und Vietnam verbessert werden könnte. So ist es kaum verwunderlich, dass sich die Chinesen durch den imperialen Anspruch auf die amerikanische Weltherrschaft irritiert und bedroht fühlen. Man erkennt in China die wachsende Diskrepanz zwischen den unverhohlenen US – Kriegsdrohungen gegen die vermeintlichen Komplizen des internationalen Terrorismus und der systematischen Desinformation der Mächtigen in Washington gegenüber den Bündnispartnern in der NATO. Europa ist für China der wirtschaftliche verlässliche Austauschpartner der kommenden Jahrzehnte, so dass auch hier das amerikanische Gebaren auf Unverständnis und Misstrauen stößt. Man hat die USA zwar noch nicht ganz abgeschrieben – ist sich aber der eigenen wirtschaftlichen und militärischen Stärke bewusst. Nicht nur Shanghai ist zum Symbol für den Abstieg der amerikanischen Wirtschaft geworden. Bereits heute konkurrieren Peking, Hongkong sowie Shanghai mit New York, Chicago oder Detroit und sind für die gesamte USA zu gefährlichen Rivalen aufgestiegen. Hinzu kommt die stetig wachsende Macht aus dem Lauf der Gewehre. Man muss eigentlich nicht lange überlegen, um herauszufinden, dass für das politische Handlungsschema der Mächtigen in Washington, die Überlebensdroge
Rohstoff
[ Erdöl, Gold, Kupfer, Platinum etc. ]
der einzige Kompass für ihr Handeln zu sein scheint.