DRSB
Deutscher Rentenschutzbund e.V.
Quidquid agis,
prudenter agas et respice finem
Der Fluch der Passivität?
von
Udo Johann Piasetzky
Vorstandsvorsitzender des DRSB e.V.
und
Rechtsanwalt Andreas Kallen
Leiter der Rechtskommission des DRSB e.V.
Meerbusch, den 31. Mai 2006
Tag für Tag erreichen den DRSB e.V. Anfragen von interessierten, aber besorgten
Hauptberufsvermittlern
und
Generalagenten
von allen namhaften Versicherungskonzernen in Deutschland.
Die gestellten Fragen haben eine hohe Deckungsgleichheit und lauten:
1. Hat ein Hauptberufsvertreter > § 84 HGB < überhaupt eine Überlebenschance?
2. Welche Veränderungen empfiehlt der DRSB e.V.?
3. Wie sehen Zukunftsprodukte in der Assekuranz aus?
4. Was passiert mit den Sachbeständen, wenn alle europäischen Vorschläge in Deutschland umgesetzt werden müssen?
Die gestellten Fragen sind voll berechtigt, bedürfen aber einer detaillierten
Betrachtungsweise der deutschen Versicherungswirtschaft.
Lage und Entwicklung der
Deutschen Assekuranz
Die rosa Zeiten sind für Sach- und Personenversicherer zunächst vorbei.
Zuerst trafen die Verluste an den neuen Aktienmärkten die deutschen Versicherungskonzerne unvorbereitet und führten am Ende des 20. Jahrhunderts zu den bekannten Problemen mit den
stillen Lasten
nach
§ 341 HGB.
Die positive Entwicklung der internationalen Börsen in den letzten Jahren konnte dieses Desaster wieder heilen.
Anfang des 21. Jahrhunderts verloren sie jedoch ihre vermeintliche Unschuld.
Das Bundeskartellamt verhängte nach circa 21/2-jährigen Ermittlungen gegen
10
Industrieversicherer
und
betroffene Vorstandsmitglieder
Bußgelder in Höhe von
130 Millionen Euro.
Nach den Feststellungen des Bundeskartellamts gab es von Mitte 1999 bis Mitte 2002 wettbewerbswidrige Absprachen vor allem im Bereich der industriellen Sachversicherung, um den zu dieser Zeit bestehenden intensiven Wettbewerb zu beenden und eine Marktwende herbeizuführen.
Grundlage für das Kartell bildeten nach Aussagen des Bundeskartellamtes vor allem Vereinbarungen zwischen den im
FIS
Fachausschuss Industrielle Sachversicherung
des
GDV
Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft
vertretenen Vorstandsmitgliedern, die in der Folge auf regionaler Ebene umgesetzt wurden.
Dabei handelte es sich nach den Erkenntnissen des Bundeskartellamts um bewusste Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht.
Die Segnungen der leider immer noch sogenannten
Riesterrente und der Rüruprente
verschlechterten ab Januar 2006 die Geldeinpflegemöglichkeiten für Personenversicherer auf Dauer.
Auch das momentane Verkaufshoch bei der sogenannten
Riesterrente
wird die wahren Probleme der Produktschwächen nur kurzzeitig überdecken. Sollte die EU, wie zu befürchten steht, auch noch rechtliche Mängel rügen, bricht das Kartenhaus vollends zusammen.
Die Riester-Rente erwacht also > mangels Alternativen < zurzeit aus ihrem Dornröschenschlaf.
Notgedrungen setzt die Assekuranz auf das bei ihr und den Vermittlern unbeliebte Produkt, weil das Geschäft mit der klassischen Lebensversicherung total eingebrochen ist.
Wenn Visionen fehlen, ist > Guter Rat < ist immer teuer.
Ein weit gravierendes Problem ist aber die Geldanlage.
Der Grund ist sonnenklar:
Die deutschen Versicherungskonzerne müssen jährlich viele
Hundert Milliarden Euro
anlegen und das europäische Zinsniveau ist nach wie vor nicht berauschend.
Mittlerweile erkennen eben auch die Manager der Gesellschaften, was für exzellente Chancen der Rohstoff-Markt bietet.
Die deutsche Versicherungswirtschaft möchte schon sehr gerne zukünftig stärker in Rohstoffe investieren dürfen.
Das wird ihr aber bis jetzt nämlich von der
Bafin
Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht
>>> zuständige Aufsichtsbehörde <<<
noch untersagt und / oder zurzeit zumindest schwer gemacht.
Der Anlageumweg über die sogenannten
Hedge-Fonds
birgt versteckte Gefahren und wird womöglich von der
Bafin
Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht
>>> zuständige Aufsichtsbehörde <<<
nur vorübergehend toleriert werden können.
Der
GDV
Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft
möchte, dass deutsche Versicherungen in Zukunft
>>> ganz normal <<<
und ohne staatliche Kontrolle auf Erdöl oder Industriemetalle setzen können.
Das würde eine zusätzliche Nachfrage im Milliardenbereich für den Rohstoff-Sektor bedeuten, was tendenziell
preistreibende Auswirkungen
für diesen Markt mit sich bringt.
Die deutsche Assekuranz dürfte sich dann sicherlich nicht beschweren, wenn eine fundamental völlig gerechtfertigte
Preisbewegung
bei einzelnen Rohstoffen/Rohwaren zusätzliche Liquidität absaugt. Es wäre auch nicht verwunderlich, wenn die erhofften Renditen nicht zu realisieren sind.
Aktion bewirkt auch immer Reaktion.
Deutsche und europäische Gesetze
bedrohen die Vormacht der Versicherer.
Drastische Veränderungen plant die Rot / Schwarze Bundesregierung im Entwurf für das neue Versicherungsvertragsgesetz.
Kommt es unverändert,
könnte das Gesetz die dominierende Stellung der deutschen Assekuranzen im Vorsorgemarkt gefährden.
Die geplanten Reglementierungen verändern das
Leistungsprofil
der
Lebensversicherungswirtschaft
in
Deutschland
grundlegend.
Der Hintergrund:
12 Kläger
erstritten vor Gericht die Einbeziehung der so genannten
stillen Reserven
bei der Berechnung der
Überschussbeteiligung.
Mit der Überschussbeteiligung geben Versicherungsunternehmen einen Teil der Kapitalerträge an den Kunden weiter, die sie mit den Kunden-Prämien erwirtschaften.
Stille Reserven entstehen, wenn der in der Bilanz festgehaltene Buchwert etwa von Aktien oder Immobilien zum Bilanzstichtag unter dem tatsächlichen Marktwert liegt.
Zusätzlich kam noch mehr Druck vom Bundesgerichtshof, der die Verwendung bestimmter Klauseln durch die Lebensversicherer als
intransparent
rügte.
Das höchste Gericht entschied, dass die Assekuranzkonzerne ihre Verträge sehr viel transparenter gestalten und Kunden angemessen an allen Erträgen beteiligen müssen.
Der Gesetzgeber muss das Urteil bis Ende
2007
umsetzen.
Für die Versicherungswirtschaft bedeuten beide Entscheidungen erneute herbe Niederlagen.
Doch der Gesetzentwurf aus dem Justizministerium hat eine noch bessere und schärfere Qualität:
Danach müssen Versicherungsunternehmen ihren Kunden die Hälfte aller stillen Reserven binnen zweier Jahre gutschreiben.
Die Versicherer können dann die stillen Reserven nicht mehr wie
bisher als
>>> Langfristpuffer <<<
einsetzen und hätten erhebliche Schwierigkeiten,
ihre Zinsgarantien einzuhalten.
Die deutschen Lebensversicherer könnten ihre Garantien auf den Sparanteil der Prämien nicht aufrechterhalten.
So zurechtgestutzte
Lebensversicherungen
hätten deutlich schlechtere Chancen im Konkurrenzkampf.
Erschüttert wird das Vertrauen der Bürger vor allem aber auch deshalb, weil immer wieder versichert worden ist, dass die
Riesterrente und die Rüruprente
ein normales Marktverhalten und somit nichts anderes als unmittelbarer Ausfluss ökonomischer Notwendigkeit und Vernunft sei.
Es war die Plausibilität dieser Botschaft, die auch bei vielen Bürgern ein gewisses Verständnis für die Notwendigkeit geweckt hatte.
Auch diese Bürger könnten sich im Nachhinein getäuscht sehen.
Dem
Leistungsprofil
der
Sachversicherungswirtschaft
in
Deutschland
droht auch Veränderungen grundlegender Natur. Nach EU-Vorstellungen sollen Sachversicherungsverträge nur noch für die Dauer von einem Jahr abgeschlossen werden können.
3 Jahre Vertragslaufzeit könnten dann nur noch in Ausnahmefälle vereinbart werden.
Damit bewegt sich an der Preisfront wirklich etwas.
Natürlich wird diese Situation kommen und nicht an der Assekuranz spurlos vorbeigehen.
Die konventionellen Deckungskonzepte, die der deutsche Sachversicherungsmarkt unverändert bietet, gehören dann der Vergangenheit an.
Was die Bürger seit Jahren vermissen, ist das Bemühen darum, im Dialog mit ihnen den Deckungsbedarf für neue Risiken zu ermitteln und Deckungsmöglichkeiten zu entwickeln.
Stattdessen erleben sie eine Zunahme der Risiko-Versionen nach dem Motto:
Am Anfang war der Ausschluß.
Alles weitere muß sich zeigen.
Ergebnis ist, daß tendenziell Haftung und Deckung sich immer weiter voneinander entfernen.
Kein Zukunftsmodell,
wie immer mehr Bürger meinen!
Denkpausen und Handlungsstillstand sieht der globalisierte Markt nicht vor. Nun rächt sich die jahrelange Passivität.
Leider sind die ersten Opfer aber die Versicherungsvermittler.
Die Testfälle für die Belastbarkeit stehen vor der Tür.
Wenn wir jetzt über die Zukunft der Vertriebssysteme zu sprechen haben, so ist das jedoch weder harmlos noch für eine ironische Betrachtung geeignet.
Mit der Verabschiedung der EU-Richtlinien erhält die Versicherungswelt in Deutschland neue Dimensionen, die zugleich neue Marken- und Produktsystem sowie innovative Vertriebskanäle erfordern.
Auch der Bereich der Versicherungsvermittlung wird demnächst reguliert, auch wenn sich die Bundesrepublik Deutschland dieses Mal mit der Umsetzung von EU-Vorgaben ungewöhnlich viel Zeit gelassen hat.
Der DRSB e.V. will nur mit aller Deutlichkeit darauf hinweisen, dass sich hier für die Bürger ein Kreis schließt:
Die Ereignisse der letzten Jahre >< vor allem Kartellverfahren und Provisionspraktiken >< haben nicht nur einen unangenehmen Beigeschmack, sondern hinterlassen auch einen üblen Nachgeschmack:
Die Bürger verloren Vertrauen und haben das Gefühl,
betrogen worden sein.
Deshalb sollten alle Marktbeteiligten ein fundamentales Interesse daran haben, damit aufzuräumen.
Es geht dabei gar nicht in erster Linie um Wiedergutmachung, obwohl immer mehr Bürger als Versicherungsnehmer diese Frage sicher prüfen werden.
Es geht um die Wiederherstellung von
Vertrauen in einen Wirtschaftszweig
und um
nachvollziehbare Kostenstrukturen.
Die DRSB-Antworten:
Frage 1
Hat ein Hauptberufsvertreter > § 84 HGB < überhaupt eine
Überlebenschance?
DRSB-Antwort
JA,
>>> die allerbesten <<<
Frage 2
Welche Veränderungen empfiehlt der DRSB e.V.?
DRSB-Antwort
Zusammenlegung von Haupt- und Generalagenturen zu Geschäftsstellen
Bündelung der Bestandsvolumen
Präventive Kundenbetreuung mit Dialogsystemen
Verstärkung der Neukundenstruktur durch MKVS
Abschaffung von überflüssigen Organisationsstrukturen
Frage 3
Wie sehen Zukunftsprodukte in der Assekuranz aus?
DRSB-Antwort
High-Brain-Produkt-Systeme
Low-Brain-Produkt-Systeme
Short-Run-Produkt-Systeme
Time-Brake-Produkt-Systeme
Low-Price-Produkt-Systeme
Frage 4
Was passiert mit den Sachbeständen, wenn alle europäischen Vorschläge in Deutschland umgesetzt werden müssen?
DRSB-Antwort
Wegfall von Bestandsprovisionen
Wegfall von Abschlussprovisionen
Einführung von laufenden Provisionen
Intensivierung der Kundenbetreuung mit MKVS
Veränderung der Kundenbindung durch verstärkten Wechselwillen der Bürger
Was immer du tust,
handele umsichtig
und denke an das Ende.
Quidquid agis, prudenter agas et respice finem.
Jeder sichere Arbeitsplatz in der Versicherungswirtschaft erspart
einem Bürger das Schicksal der
Arbeitslosigkeit
und
stabilisiert das gesetzliche Rentensystem.
DRSB
Wir kämpfen seit 1988 für sinnvolle,
lernfähige und sichere Rentensysteme sowie für dauerhafte und sichere Arbeitsplätze in der Versicherungswirtschaft.
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