Das Wort am Sonntag
Unternehmenswert ?
06. Februar 2011
„Wer zweimal mit derselben pennt,
gehört schon zum Establishment”.
Bis heute gilt diese Parole als das Hauptmotto der persönlichen und sexuellen Befreiung der so genannten 68er – Generation. Keine Privatsphäre, kein Zwang, keine Tabus, jeder ungezwungen mit jedem.
Sex, Selbstfindung, Revolution.
Die Kommune I um Rainer Langhans ging als 68er – Mythos in die Geschichte ein. Damals reichte es für die vorgebliche Freiheit völlig aus, dass man die
Toilettentür
aushängte, damit sich alle Kommunarden gegenseitig bei der Verrichtung „gewisser” Geschäfte bobachten konnten. Wie aus dem NICHTS waren alle von dem Gefühl überwältigt, dass ein ganz anderes Leben möglich wäre. Für viele war es entscheidend, dass man sagen konnte:
„Ich bin gesund – und krank ist die alte Ordnung,
die mich bisher so bedrängt hat mit ihrer vermeintlichen Richtigkeit”.
In seiner entwaffnend ehrlichen Autobiografie erzählt Rainer Langhans, wie verklemmt es in der Kommune I tatsächlich zuging. Wie problembeladen der Umgang mit Sex und dem jeweils anderen Geschlecht tatsächlich war, das belegen die Briefe von Rainer Langhans an seine damalige Freundin Uschi Obermaier aus der JVA Moabit. Dort war der Kommunarde zusammen mit Dieter Kunzelmann wegen des Verdachts auf Bildung einer kriminellen Vereinigung 1969 inhaftiert. Weil man angeblich so dringend Veränderungen brauchte sowie diese Zeit so intensiv erlebte und damit auch verkörperte, ist Langhans zu dieser etwas merkwürdigen und bekannten Medien – Figur geworden, die vor 42 Jahren für viele Menschen in unserer Heimat wichtig war. Zu Beginn war nichts politisch oder links und niemand wollte die Welt verändern. Mit der späteren Studentenrevolte hatte das „lustige” Treiben in der Kommune I so gut wie gar nichts zu tun. Möglicherweise erscheint Rainer Langhans der Rummel um Facebook und die sozialen Plattformen deshalb auch wie die Fortsetzung der Kommune I. Nur heute reicht es nicht mehr, zur Erlangung der persönlichen Freiheit die Toilettentür auszuhängen. Bei Facebook gehört der totale
Persönlichkeits- und Seelenstrip
zum Grundprogramm, denn wer sich nicht völlig outen möchte, der darf weltweit nicht mitmachen. Als die Bewegung der Kommune I in sich zusammenbrach, hatten alle Kommunarden ein wachsendes Problem – nämlich zu überleben ohne diesen
Budenzauber.
Niemand wollte damals mehr in das alte Leben oder in die alte trostlose Welt zurück, wo jeder einem nur sagte:
Was willst du eigentlich hier?
Du gehörst nicht zu uns, du gehörst nirgendwohin!
Die meisten Kommunarden wollten nur einen kleinen Freiheitssprung in ein neues Leben machen und sich eine Weile darin aufhalten, was schon ungeheuer viel wert war – damals. Kurze Zeit später tauschten fast alle ihr vermeintlich freies Leben in solide bürgerliche Existenzen ein. In diesem Augenblick kam die entscheidende Wende. Und genauso werden sich die vorgeblich sozialen Plattformen entwickeln, wenn die Mitmacher begriffen haben, was die Initiatoren mit den offen gelegten Daten so alles anstellen und verdienen.
Von heute auf morgen alles verändern
– SORRY -,
das geht weder mit Facebook noch mit anderen sozialen Plattformen.
In der Betriebswirtschaftslehre versteht man als Wert eines Unternehmens den Saldo aller zukünftigen Einnahmen und Ausgaben von der Gründung bis zur Beendigung der unternehmerischen Tätigkeit, welche auf einen bestimmten Betrachtungszeitpunkt abzuzinsen sind. Bei bestehenden Unternehmen ist der Unternehmenswert die Summe aller liquiden Mittel zuzüglich dem Saldo aller abgezinsten zukünftigen Einnahmen und Ausgaben bis zur Beendigung des Unternehmens. Der Unternehmenswert umfasst alle materiellen Werte, wie zum Beispiel Produktionsanlagen und immateriellen Werte, wie zum Beispiel Patente und Markenrechte.
Alles was zukünftig zu einer Einnahme
im Unternehmen führt hat demnach seinen Wert.
Der Unternehmenswert ist somit ein Vorgriff auf eine erwartete zukünftige geschäftliche Entwicklung. An der Börse spiegelt sich der Unternehmenswert nach den unterschiedlichen Nachrichtungen über die Erwartungen der Geschäfts- und der Branchenentwicklung nach den Gesetzen von Angebot und Nachfrage wider. Je geringer der Umfang von vorhandenen Unternehmensdaten aus der Vergangenheit und den Erfahrungen mit dem Unternehmen sind, umso größer ist der Anteil spekulativ erwarteter und erhoffter Geschäftsentwicklungen. Da niemand in die Zukunft schauen kann, wird die zukünftige Geschäftsentwicklung vornehmlich aus Erkenntnissen der Vergangenheit abgeleitet. Die Ableitung des Unternehmenswertes kann in der Praxis nur auf valide Unternehmensdaten der Vergangenheit aufbauen, wobei neben den reinen quantitativen Finanzdaten auch qualitative Merkmale, wie zum Beispiel Tradition und Beständigkeit, Innovationskraft und Seriosität, Bekanntheitsgrad und Image eine Rolle spielen. Mit den klaren und einfachen Botschaften und Marken findet sich zum Beispiel der Wiedererkennungswert von
„ Volkswagen ”
als Trendsetter der immer noch so genannten Golf – Klasse in dem hohen Börsenwert wieder. Den Firmennamen
„Google” und „Facebook”
ist durchaus ein Wiedererkennungswert auch im deutschsprachigen Wirtschaftsraum beizumessen. Als einfache Berechnungsmethode mit Kennzahlen für den Unternehmenswert dient der durchschnittliche Ertrag der letzten Jahre, welcher mit einem
Kapitalisierungsfaktor
gewichtet wird. Der Kapitalisierungsfaktor impliziert das allgemeine wirtschaftliche Risiko und den Zinssatz einer alternativen Kapitalanlage. Zum Beispiel würde ein Kapitalisierungsfaktor 10 rechnerisch einer Verzinsung von 10 % entsprechen; ein Kapitalisierungsfaktor 14 bedeutet rechnerisch eine Verzinsung von circa 7 %.
Die Beispiele einiger deutscher Konzerne zeigen, dass die Börsenwerte in Relation zum erwirtschafteten Gewinn in einer gesunden Relation stehen. Der aktuelle Börsenwert von Facebook ist mit Zahlen aus der Vergangenheit nicht darzustellen und ist somit ein gefährlich blinder Vorgriff auf die Zukunft. Die Nachhaltigkeit der zu erwartenden Geschäftsentwicklung ist bei Produktionsunternehmen stärker ausgeprägt als bei reinen Dienstleistungsunternehmen, weil in den Produktionsunternehmen eine echte Wertschöpfung durch hergestellte Produkte stattfindet. Wegen relativ geringerer Anlaufkosten eines Dienstleistungsunternehmens sind die Möglichkeiten zu einer Nachahmung durch Konkurrenzunternehmen daneben in den Dienstleistungsbranchen noch wesentlich stärker ausgeprägt.
Der Wert von Facebook wird aus dem erwarteten steigenden Boom des Internets abgeleitet.
Dem Nutzer dient das Internet vorrangig dazu, schnell verfügbare Informationen zu gewinnen und nicht Informationen preiszugeben. Das Internet stellt sich seit den Enthüllungen von Wikileaks aus der unterschiedlichen Sicht der Betrachter als Fluch oder als Segen dar. Wenn die
„Informationspreisgeber”
für Social – Media – Verbindungen wüssten, was alles „sooo” mit ihren persönlichen Daten passieren kann, die sie „unentgeltlich” ins Internet stellen dürfen und untereinander „austauschen”, kann sich der Trend einer erwarteten Geschäftsentwicklung schnell ändern. So ist zum Beispiel auch der Nutzen von eingepflegten Werbespots in den Internet – Nachrichten für Produktanbieter empirisch und wissenschaftlich noch nicht abschließend untersucht. Die so genannte Bannerblindheit – die Werbebotschaften – werden oftmals von den Internetnutzern vor dem ungewollten Lesen einfach weggeklickt, auch wenn man das Schlüsselwort „wegklicken” oder „beenden” auf den Bannern nicht immer sofort findet. Die aktuelle imaginäre Börsenbewertung von Facebook ist somit schwerlich naschvollziehbar. Das Düsseldorfer Handelsblatt titelte bezeichnend den Artikel über den Facebook- Hype:
Der Wahnsinn kehrt zurück.
Die hoch gefährlichen Wetten um Facebook, Groupon oder Twitter sind lediglich ein scheinbar lukratives neues Geschäftsfeld für Investmentbanken. Hier reicht das Aushängen von Toilettentüren nicht mehr aus.