Das Wort am Sonntag
Was ist Armut?
05. Dezember 2010
Seit geraumer Zeit fragen regelmäßig die Menschen in unserer Heimat:
Was ist Armut?
Wie definiert man Armut?
Gibt es Rahmenbedingungen für Armut?
Die meisten Menschen in unserer Heimat „glauben” zu wissen, was Armut ist. Hinterfragt man die geäußerten Meinungen, so stellt man fest, dass fast jeder unter Armut etwas vollkommen anderes versteht. Selbst eine notwendige wissenschaftliche Begriffsdefinition scheint es nicht durchlässig zu geben. Armut bewegt sich häufig im Bereich von „Absurdistan”, denn Armut ist kein Begriff wie jeder andere. Objektiv betrachtet existiert in jeder Gesellschaftsklasse oder in jeder Partei eine unterschiedliche Definition, die ständig Diskussionsstoff liefern. Gemessen an der sozialen Stellung, an der Weltanschauung sowie an der Religion kreisen in unserer Heimat völlig gegensätzliche Auffassungen.
Für die weit verbreitete Fehlwahrnehmung der Armut in unserem Land sind vermutlich die Armutsbilder in den Massenmedien verantwortlich, die in der Regel das Elend und die Not in Entwicklungsländern zeigen.
Zudem waren nach dem zweiten Weltkrieg häufig ältere Menschen und Bezieherinnen von Kleinstrenten von materieller Not schwerpunktmäßig betroffen.
In den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts
beschränkte sich die „erkennbare” Armut auf wenige Obdachlose sowie auf Drogenabhängige.
Während abhängig Beschäftigte zunehmend begreifen, dass an der zusätzlichen privaten Altersvorsorge kein Weg vorbeiführt, scheint eine solch notwendige Erkenntnis an den meisten Freiberuflern, Selbständigen und mittelständischen Unternehmern vorbeizugehen. Bei den meisten entsteht im Laufe der Zeit eine stetig größer werdende Versorgungslücke, so dass den Betroffenen die Altersarmut droht. Die Situation ist deshalb alarmierend, weil durch die Agenda 2010 das Heer der tatsächlich Armen exponentiell jeden Monat vergrößert wird.
Doch was ist Armut in unserer Heimat?
Zunächst ist Armut die wirtschaftliche Unfähigkeit, ein Minimum an ärztlicher Betreuung, Ernährung und Unterkunft aufrecht zu erhalten.
Doch wodurch wird Armut in unserer Heimat erkennbar?
1.
Miserable Einkommensverhältnisse durch prekäre Arbeitsverhältnisse, die in unserer kapitalistisch ausgerichteten Gesellschaft den Verzicht auf Güter oder Dienstleistungen zur Folge haben.
2.
Die zwingende Notwendigkeit auf staatliche Unterstützung angewiesen zu sein. Aufgabe einer längerfristigen Lebensplanung und schleichender Übergang zur Bettelei zur Bestreitung des Lebensunterhalts.
3.
Gravierende Mangelerscheinungen in der Haushaltsführung, des allgemeinen Wohnumfeldes mit direkten Auswirkungen auf die Gesundheit, die regelmäßige Ernährung sowie der absolute Verzicht auf Bildung, Kulturereignisse und Freizeit.
4.
Wachsende Einflusslosigkeit der Betroffenen in allen Schlüsselbereichen unserer Gesellschaft – wie zum Beispiel Wissenschaft, Politik, Wirtschaft, Sport oder Verwaltung – tragfähige Verbindungen einzugehen.
5.
Anschwellende Diskreditierung und Desavouierung der heruntergekommenen Lebensweise der von Armut Betroffenen, verbunden mit der negativen Etikettierung, Ausgrenzung und sozialen Stigmatisierung. Offen zur Schau getragene Missbilligung der Lebenslage und Herabwürdigung der Person.
Den von Armut betroffenen Menschen in unserer Heimat werden also die Möglichkeiten zum regelmäßigen Gelderwerb, zur Konflikt- und Kontaktfähigkeit genommen sowie zur menschenwürdigen Teilnahme an der Gesellschaft.
Seit der Einführung der Agenda 2010
hat sich die Armut in unserer Heimat zu einem mehrdimensionalen Problem entwickelt.
Die sozialwissenschaftliche Theorie verdeutlicht, dass Armut nie ohne ein auslösendes politisches Umfeld entstehen kann. Es ist bereits erkennbar, dass sich in einigen elitären Gesellschaftsgruppen die Meinung verfestigt, dass die Armut nur dann real existiert, wenn die betroffenen Menschen vollkommen verelenden oder wie Kadaver auf den Hinterhöfen unserer Gesellschaft verenden. Für manchen oberflächlichen Beobachter scheint es deshalb Armut in unserer Heimat noch nicht zu geben. Aus der Sicht der Politik ist bereits die Frage entstanden, ob Armut lediglich ein relatives zeitabhängiges Phänomen darstellen kann oder vielleicht schon zu einer eminenten Bedrohung der Gesellschaft mutiert ist. Für den Mittelstand war bis vor Kurzem der Begriff Armut ein rein politischer Kampfbegriff aus der ultralinken Ecke, der mithelfen sollte den Sozialneid zu befeuern. Seit der wachsenden Exklusion in unserer Heimat durch die Agenda 2010 ist für viele Menschen aus der Mittelklasse das Wort Armut mehr als eine Worthülse geworden.
Die Bekämpfung der Armut
ist in unserer Heimat deshalb kein aussichtsloses Unterfangen.
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Deutscher Rentenschutzbund e.V.
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