Das Wort am Sonntag 2010 10 03

Das Wort am Sonntag

 

CASHBURNING IN THE USA

 

03. Oktober 2010

 

Als vermeintlich bürgerlich – liberale Republik ohne obsolete feudale – aristokratische Traditionen europäischer Ausprägung zeichnen sich die USA am deutlichsten durch den Versuch aus, das politische und das wirtschaftliche System trennen zu wollen. Zu Recht wurde deshalb die Abkoppelung des wirtschaftlichen Systems von politischen Einflüssen als

das große amerikanische Experiment

bezeichnet. Experimente haben aber oftmals die umnehme Eigenschaft zu scheitern. Das US – Wirtschaftssystem entwickelte systembedingt unabhängig von politischen Eingriffen ein sehr starkes Eigenleben und wirkt dadurch immer dominanter auf die politischen Protagonisten ein. Quasi so stark, dass man sich im Farmer – Stil willfährige

young leaders

heranzieht. Ein noch zu hinterfragendes Modell, welches über die verschiedenen Atlantik – Netzwerke auch in unserer Heimat immer mehr Zuspruch erfährt. Trotz dieser Grundtendenz lassen sich jedoch für das Beziehungsgefüge Wirtschaft und Politik unterschiedliche Phasen in der amerikanischen Geschichte ausmachen. So kennt man die merkantilistischen Versuche – wie zum Beispiel die Staatsbetriebe unter der Präsidentschaft Jacksons. Die rasante industrielle Entwicklung in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts ging dann freilich mit einem weitgehenden Rückzug des politischen Systems einher. Die US  – Wirtschaft organisierte Industrialisierung und wackelige sowie untaugliche Versorgungseinrichtungen ohne politische Eingriffe, quasi völlig alleine in eigener Regie. In der Periode des Republikanismus nach der Jahrhundertwende blieb die Vorrangstellung der US – Wirtschaft unangefochten. Erst die Weltwirtschaftskrise bewirkte mit dem so genannten,

New Deal

von Präsident Roosevelt „ganz zarte” Eingriffe der Politik. Die Vorherrschaft der Banken, Börsen, Konzerne und Großwirtschaft wurde mit staatlicher Hilfe zugunsten der kleinen Farmer und mittelständischen Geschäftsleute „behutsam” abgeschwächt. Doch schon während des Zweiten Weltkriegs schlug der Pseudo – Trend wieder um. In den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts gab es eine Phase wachsender Vorbehalte gegenüber den transnationalen Multikonzernen, ohne dass das allgemeine Vertrauen auf die Marktkräfte erschüttert worden wäre. Mit der Präsidentschaft Ronald Reagans [ 20. Januar 1981 bis 20. Januar 1989 ] erreichte die Idee von

wirtschaftlicher Handlungsfreiheit

wieder besonders hohe Kurswerte. Reagan war zwar ein mittelmäßiger Schauspieler, aber in der „Rolle” des US – Präsidenten hätte er mehrfach den „Oskar” verdient. Von Finanz- oder gar Wirtschaftspolitik verstand Reagan ungefähr soviel wie eine Kuh vom Whisky geben. Deshalb hörte er vermutlich fasziniert den Einflüsterungen von Professor

Milton Friedman

[ Chicagoer Schule ]

zu, der für seine fundamentale Arbeiten auf den Gebieten der Makro- und Mikroökonomie 1976 den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften erhielt. Friedman stieg damals durch die Protektion von US – Präsident Reagan – neben John Maynard Keynes – zum einflussreichsten Ökonom der USA auf. In der Nachbetrachtung muss man Milton Friedman als den gefährlichsten Guru für den freien und ungezügelten Markt betrachten. Seine geistige Grundhaltung kann jeder noch heute in seinem Buch

Kapitalismus und Freiheit

[ 1962 ]

bequem nachlesen und mit den angerichteten Schäden abgleichen. Friedman überhöht in seinem Buch die Minimierung der Rolle des Staates, um wirtschaftspolitische Freiheiten zu fördern, die zeitverzögert zu Lasten kollektiver Sozialsysteme gehen. Nach der Wende in Deutschland zeichneten sich solche erkennbaren Entwicklungen auch in unserer Heimat immer deutlicher ab – der ungezügelte

Neoliberalismus war auf dem Vormarsch.

Die Wirtschaft des englische Königreichs litt schon vor dreißig Jahren unter den Friedman – Auswirkungen und erlebte bereits zur Jahrtausendwende den völligen Zusammenbruch. Amerikanische

MegaFinanzBlutsauger

aus den USA waren also schon vor mehr als 30 Jahren eine reale Bedrohung für westliche Demokratien. Die legendär gewordenen massiven Soros – Wetten gegen das britische Pfund nahmen Anfang der neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts zu und befeuerte den Investmentbereich. Dieses, nennen wir es einmal,

Soros Szenario

[ 16. September 1992 / „Black Wednesday” ]

schädigte alle wirtschaftliche Systeme und ließ vor allem die sozialen und politischen Probleme in Westeuropa exponentiell ansteigen. Unsere Heimat war anfänglich von diesen gefährlichen Entwicklungen lediglich leicht tangiert, denn in der Ära von US – Präsident Georg Bush schwächte sich der Friedman – Hype in den USA ein „klein” wenig ab. Aktuell ist das traditionelle Wirtschaftssystem in den USA weniger durch politische Regulierungsabsichten gefährdet als durch die wachsende Sicherheitslastigkeit der amerikanischen Politik im Gefolge der Weltmachtrolle nach 1945.

Die Weltbilder der USA sollen weiterhin – nahezu unangefochten – überall ihre unüberprüfte Verbreitung finden. Für die Innenregulierung lässt sich nach wie vor sagen, dass wirtschaftliche Entscheidungen in den USA im Wesentlichen Entscheidungen der US – Wirtschaft selbst sind. Hier gilt es zukünftig darauf zu achten, dass die deutschen Friedman – Schüler unsere soziale Marktwirtschaft nicht völlig zerstören helfen. Dafür spricht sehr deutlich, dass das politische US – System keine effektiven wirtschaftspolitischen Steuerungs- und Entscheidungsinstrumente aufgebaut hat. Der so genannte

Council of Economic Advisors

ist kein vergleichbares wirtschaftliches Gegenstück zum National Security Council. Es ist also schon heute absehbar, wann eine vollständige Selbstregulierung der US – Wirtschaft und der US – Banken in den Vereinigten Staaten stattfinden wird. Die symbiotischen Beziehungen und Kreise, wie sie etwa für das Verhältnis zwischen der Ölindustrie und der amerikanischen Regierung gelten, verringern zunehmend die Macht des politischen Systems, indem die hohe Autonomie des Wirtschaftssystems das politische Modell  gezielt unterhöhlt [ wachsender Lobbyismus ]. Denn besonders die staatliche Auftragsvergabe im Rüstungssektor brachte schon immer wesentliche Teile der amerikanischen Industrie in Abhängigkeit zum Pentagon. Da möchte man auf den Topetagen der Multikonzerne schon genau wissen, wer in Washington das „Sagen” hat. Eine jahrzehntelange dubiose Entwicklung, denn starke Steigerungen der Rüstungsausgaben Anfang der achtziger Jahre und die zunehmende Kostenbelastung durch aktuelle Kriegseinsätze erhöhen unaufhaltsam die ohnehin äußerst prekäre Staatsverschuldung der USA. Dieses unselige Szenario führt nicht nur zu öffentlicher und privater Konkurrenz bei der Kreditaufnahme, sondern schafft auch durch stetige Zinsauftriebe wachsende Hindernisse für alle sinnvollen wirtschaftlichen Entfaltungsmöglichkeiten. Bereits In den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts war es deshalb, genau wie heute, die auflaufende Systemkonkurrenz der Weltordnungspolitik, die den Kostendruck auf die USA erzeugte und erhöhte. Das Wirtschaftssystem in den USA verliert bereits heute jedes Maß an Unabhängigkeit und wird von Jahr zu Jahr an wirtschaftlichen Einfluß verlieren und in der Währungs- und Handelspolitik möglicherweise in 12 bis 18 Monaten völlig kollabieren. Im Konkurrenzverhältnis mit China, Japan und Westeuropa ist auch in den USA eine Diskussion über den Sinn ziviler Industriepolitik entstanden. Besonders die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen wie Schulbildung und Ausbildung möchte die Administration verbessern. Die Dispute um den Schutz traditioneller Industriezweige vor der Flut billiger Importe und sogar um Schutz für Teile des Technologiesektors haben den vermeintlichen Liberalismus der USA unter Anpassungsdruck geraten lassen, der kontinuierlich steigen wird. Der wirtschaftliche Niedergang der Industriezentren im Nordosten [ Detroit etc. ] wird sich aber noch verstärkten, wenn es den US – Banken nicht gelingen sollte, „frisches Geld” aus Westeuropa heran zu schaffen. Ansonsten wird der Niedergang der alten Industrien [ Auto und Stahl ] nicht zu verhindern und der Aufstieg der neueren Wachstumsindustrien nicht zu finanzieren sein. Aus eigener wirtschaftlicher Kraft kann die USA dieses anstehende Szenario nicht bewältigen. Der Dienstleistungsbereich und die  zunehmende Bedeutung der Bereiche

Rüstungstechnik, Kommunikation und Information

können diesen Trend lediglich partiell verstärken. Sie werden in den kommenden zwei bis fünf Jahren den Strukturwandel und die regionale Wanderung der amerikanischen Bevölkerung noch wesentlich stärker beeinflussen als bisher. Die absinkende Erwerbsstruktur und die Einkommensverteilung werden im erheblichen Ausmaß dominieren und die prekären unsicheren Arbeitsverhältnisse fördern. Davor müssen in unserer Heimat die aktuellen und zukünftigen Rentenbezieher geschützt werden. Denn die Ausbeutung nach dem Chicagoer – Modell belastet überwiegend die abhängig Beschäftigten durch Steuern und Abgaben und bevorzugt die Reichen. Die Folgen sind absehbar, denn die anwachsenden sozialen Ausgrenzungen in vielen Teilen der USA können nicht übertüncht werden durch ständige hedonistisch geprägte Wachstumsmeldungen durch die

Wall StreetJunkies.

Diese befeuern deshalb nach besten Kräften die Legenden vom angeblich glorreichen

Investmentbanking und PrivateEquity - Verbindungen,

die zukünftig über diverse neue Fondsmodelle und sonstige fragwürdigen Finanzmodelle weiter das Geld in Westeuropa absaugen sollen. Hierzu plant man fleißig hinter verschlossenen Türen die fragwürdige Kreationen neuer

börsentauglicher Handelswaren”,

denn über den reinen Aktienhandel und die in Schieflage geratenen Fondsmodelle kann das benötigte Kapital nicht mehr systematisch eingepflegt werden. Auch die Geldflussfaktoren und Zahlungsströme müssen aus der Sicht der

Wall StreetJunkies

vollkommen anders verschleiert werden, so dass man im wahrscheinlichen Schadensfall das Versagen immer nur auf das System schieben kann. Das neue teuflische Gebräu aus

OFFSHOREPapierfirmen

und vermutlich weiterhin wertlosen festverzinslichen Wertpapieren müssen dann lediglich noch durch amerikanische Wirtschaftsprüfer, Unternehmensberater und Bewertungsagenturen mit

Triple AAA

[ Drei AAA ]

hochgejubelt und in den deutschen Markt getrieben werden. In unserer Heimat wird der Vertrieb dieser, in Kern wertlosen Finanzprodukte, über die Multiplikatoren der diversen Strukturvertriebe nicht mehr sicherzustellen sein. Obwohl jahrzehntelang, mit der willfährigen Hilfe der Medien, gezielt Protagonisten, wie zum Beispiel

Wittschier [ OVB ] , Pohl [ DVAG ] Kunkler [ HMI ]

oder auch

Maschmeyer [ AWD ],

im Rahmen von Wahrnehmungsverschiebungen als erfolgreiche Lichtfiguren dargestellt wurden, denen es sich lohnen sollte nach besten Kräften nachzueifern, haben die Strukturvertriebe bedingt durch die US – Finanz- und Wirtschaftskrise ihre Glaubwürdigkeit – nach innen und außen – völlig eingebüßt. Deshalb sucht man verzweifelt neue verlässliche Absatzkanäle, denn lediglich geschätzte 25% der

Finanz - Ramschwaren

gehen über die Ladentheke der deutschen Banken. Das alles klingt sehr kompliziert – ist aber nicht, denn die Idee ist seit 20 Jahren immer dieselbe. Man kauft beliebig entweder [ faule ] Kredite oder sonstige instabile Wertpapiere auf und wandelt sie in kaum wiedererkennbare andere Wertpapiere um.

EINFACH, TEUFLISCH GENIAL und BRANDGEFÄHRLICH!

Denn die Ausdehnung mikroökonomischer Analysen auf einen weiten Bereich menschlichen Verhaltens und Interaktionen, darunter auch nicht marktbasierte Verhaltensweisen, verdeutlicht die grenzenlosen Chancen dieses hemmungslosen neu zu erwartenden

CASHBURNING IN THE USA”.

Denn alle zukünftigen Finanz – Absaugmodelle sind von so genannten rationalen Entscheidungen völlig ausgeschlossen. Diese besagen eindeutig, dass Individuen vernünftige Entscheidungen weder treffen noch rational abwägen können. In der Kombination mit Milton Friedmans

SchockStrategie

werden diese sich abzeichnenden Szenarien innerhalb der nächsten Jahren den

KatastrohenKapitalismus

manifestieren können. Schon seit der Einführung der Agenda 2010 sind etwa Fragen zum Zusammenhalt von Familien, zu Kriminalität, zur Bestrafungen, zum Humankapital, menschliche Kompetenzen und die wirtschaftliche Investition, zu Kernthemen unser Gesellschaft geworden. Eine äußert bedenkliche Entwicklung, denn in Krisenzeiten werden Volkswirtschaften oft mit undefinierbaren Krankheiten verglichen. Eine zunächst undefinierbare Krankheit greift von einem Organ zum nächsten über und urplötzlich zeigen sich überall Zeichen des Verfalls oder latente Ansteckungsgefahr [ siehe HRE oder WestLB ]. Das Wachstum wird zusammen-brechen, die Produktivität leidet und dem Bildungs- und Ausbildungswesen droht – nach wie vor – ein blamables

mangelhaftbisungenügend”.

Man muss kein Hellseher sein – aber schon heute kann man voraussagen, dass die meisten Politiker durch wortreiche Hilflosigkeit und gegenseitiges Blockieren den amerikanischen Interessengruppen erneut Vorschub leisten werden. Man wird vermutlich einen weiteren Versuch starten, den deutschen Wirtschaftsakteuren die Schuld in die Schuhe zu schieben, denn diese angeblichen Fortschritts – Verweigerer sollen den technologischen Fortschritt völlig verschlafen haben, so dass kaum jemand unsere einheimischen Firmen mehr zum Vorbild nehmen kann. Dadurch wird die Legende erzeugt und genährt, warum neue Investitionen und Arbeitsplätze vorzugsweise anderswo stattzufinden haben. Das klingt zwar wie eine futuristische Beschreibung Europas nach dem Überschreiten der Schwelle zum 21. Jahrhundert – aber genauso werden sich die Szenarien in Zukunft abspielen.

Die Krankheitssymptome sind bereits heute vorhanden und werden durch das möglicherweise erneute kollektive

CASHBURNING IN THE USA

zur Verfestigung der Arbeitslosigkeit, zum Verfall der Ausbildungssysteme und zur wachsenden sozialen Ausgrenzung in unserer Heimat führen.

Einmal abgesehen von

der Destabilisierung unserer Demokratie.

Misstrauen und Enttäuschung über das Versagen der politischen Eliten könnte wahrscheinlich für einen Aufstand der Wähler sorgen [ siehe hierzu Bücher von Professor Udo Ulfkotte ]. Die USA sind seit Jahren als Supermacht total überfordert, was vor allem zur völligen wirtschaftlicher Erschöpfung und zum Abstieg auf Raten führen wird. Eigentlich könnten wir in unserer Heimat mit

Selbstvertrauen, Gelassenheit und Optimismus

den Entwicklungen entgegen schauen, wäre da nicht der ungute Einfluss der USA auf unsere Heimat, die uns quasi als 51. Bundestaat betrachten.

Bei diesen fatalen Aussichten müsste

man eine Gänsehaut bekommen und sofort gegensteuern.

Oder etwa nicht?

 

 

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Deutscher Rentenschutzbund e.V.

 

Wir kämpfen seit 22 Jahren mit der Stimme der Demokratie für einen modernen Sozialstaat, sichere, langfristige Arbeitsplätze, sinnvolle, gerechte und lernfähige Rentensysteme, sichere, gerechte und leistungsfähige Sozialsysteme und für korruptionsfreie Demokratie in Deutschland und der Europäischen Union.

 

 

 

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