Das Wort am Sonntag
Machtverschiebung
08. August 2010
Es gibt eine Menge Gründe für die wachsende Bedeutungslosigkeit der USA nach der Antiterrorkampagne von George Walker Bush.
Die freundlichsten Interpretationen besagen noch immer, dass die USA nach den Terrorakten des 11. September 2001 ein vermeintliches Selbstverteidigungsrecht beanspruchten und möglichst effektiv die Voraussetzungen für einen
„war on terrorism”
[ Krieg gegen den Terrorismus ]
schaffen wollten. Die Mächtigen in Washington waren bereit, dabei den Löwenanteil der politischen und finanziellen Kosten zu tragen.
War es in Wirklichkeit der Anfang vom Ende?
Denn die Krisensymptome häufen sich von Tag zu Tag:
Banken krachen zusammen, Aktienkurse fallen, die Staatsschulden steigen ins Unermessliche, der US – Dollar wird stetig schwächer und mit ihm schwindet die notwendige außenpolitische Durchsetzungsfähigkeit der Supermacht.
Hat Amerika seinen Höhepunkt überschritten?
Erlebt die Welt den Anfang
vom Ende des amerikanischen Zeitalters?
Die imperiale Überdehnung, der Aufstieg von China zur Großmacht und die anhaltende Finanz- und Wirtschaftskrise verstärken den Eindruck, dass die Supermacht Amerika sich im Niedergang befindet. Dabei sollte man auf keinen Fall die militärische Schlagkraft sowie den Erneuerungswillen der USA unterschätzen.
Ob liberal oder konservativ, amerikanische Bürger aus allen Gesellschaftsschichten erkennen die sich abzeichnenden Konturen einer vollkommen neuen Weltordnung.
Seit 46 Jahren führt das
Pew Research Center
In allen 50 Bundesstaaten Umfragen durch. Noch nie waren die Amerikaner so pessimistisch wie in diesem Jahr. Das Gespenst vom Niedergang der USA macht in allen gesellschaftlichen Kreisen die Rund. Der Hype vom amerikanischen Leben, den die Neokonservativen beschworen haben, ist vorbei.
Es ist für viele Menschen in den USA das erste Mal spürbar, dass Abgesänge auf ihr Land weltweit angestimmt werden.
Genau genommen erleben die USA bereits die fünfte Angstwelle seit Ausbruch des Zweiten Weltkriegs.
1957 kam der russische Sputnik – Schock. Ihm folgten in den siebziger Jahren der Erdölschock und das Vietnamdebakel. In Vietnam verloren die USA ihren Nimbus der Unbesiegbarkeit und der moralischen Überlegenheit.
Mit dem Ende der achtziger Jahre fürchteten sich die meisten Amerikaner vor der bevorstehenden japanischen Übernahmewelle.
2009 war es die Finanz- und Wirtschaftskrise, die gepaart war mit Anzeichen imperialer Überdehnung und dem Aufstieg neuer Großmächte wie zum Beispiel China.
Und heute ist es der Schock von Afghanistan und die damit verbundene Angst vor einem zweiten Vietnam.
Die USA haben also
schon mehrere Krisen überstanden.
Durch alle gesellschaftlichen Strukturen geistert deshalb die Frage:
Kann es diesmal auch wieder so sein?
Im Jahr 2020 wird voraussichtlich China mit seiner Milliardenbevölkerung gerade einmal die Hälfte des US – Bruttonationalprodukts erreichen können. In einigen Bereichen der Zukunftstechnologien haben die USA noch für kurze Zeit die Nase vorne.
Auch militärisch sind
die USA zurzeit noch eine Extraklasse.
Sie geben mehr für ihre Streitkräfte aus als die nächsten 14 Länder zusammen genommen. Hier liegt das Hauptproblem begraben, denn selbst ein zweistelliges Wirtschaftswachstum wird nicht reichen, um aus der aktuellen Staatsverschuldung herauszufinden.
Die USA haben sich ausgerechnet militärisch so stark verzettelt, dass der Eindruck entsteht, man habe sich selbst gefesselt.
Der Irrglaube, dass nach dem Fall des Kommunismus in der Sowjetunion alle Staaten zwangsläufig lieb und demokratisch werden, hat sich nicht erfüllt.
China und Russland beweisen, dass man wirtschaftlich erfolgreich und autokratisch sein kann. Und ganz plötzlich können Regionalmächte wie der Iran oder Nordkorea die USA völlig ungestraft provozieren. Russland zum Beispiel markiert wieder, fast so wie zu Zeiten der Sowjetunion, seine Einflusssphären mit aller Macht und kokettiert mit seinen Bodenschätzen sowie mit der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Während in Europa das Stimmungsbarometer stetig zu steigen scheint, grassieren in den USA zunehmend der Pessimismus und die damit verbunde Depression. Man fürchtet völlig zu Recht den schnellsten Abstieg, den die Welt je gesehen hat, vergleichbar nur mit dem Niedergang der Römer, der allerdings mehrere Jahrhunderte dauerte. Diese dunkle Haltung lässt sich belegen, denn schon in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts schoss die Arbeitslosigkeit auf mehr als 10% hinauf und gleichzeitig erklomm die Inflation Werte in zweistelliger Höhe. Kein Wunder also, dass
Pessimismus und Depression
die Runde machen. Obwohl von den zehn besten Unis der Welt sieben in den USA liegen sollen, driftet der Westen auseinander, denn auf dem Arbeitsmarkt der USA herrscht absoluter Stillstand. Die USA haben diverse strukturelle Problemzonen, die man in Deutschland nicht kennt. Das deutsche Exportmodell ist seit Jahren stabil, so dass Probleme auf dem Arbeitsmarkt relativ schnell weggebügelt werden können.
Die Ausbildung zu Meisterberufen, sowie der stabile deutsche Mittelstand sind die Erfolgsgaranten auch in der Zukunft. Lediglich bei den Geburtenraten haben wir in unserer Heimat gemeinsam mit China, Japan und Russland ein demografisches Problem.
Über ihre Geburtenrate müssen
sich die USA keinerlei Sorgen machen.
Eine besonders bedenkliche Problemzone für die Mächtigen in Washington ist, dass
mittlerweile die Chinesen US – Währungsreserven im Wert von satten
2 Billionen US – Dollar
halten. Es ist auffällig, dass China dadurch für die Schulden der Supermacht gerade steht. Die Staatsverschuldung macht die USA abhängig von den politischen Interessen der Chinesen.
Denn was passiert, wenn die Chinesen
ihre amerikanischen Staatsanleihen verkaufen?
Naht dann das Ende der amerikanischen Arroganz?
Was kommt nach den USA?
Man sollte nicht den Fehler begehen und dieses mögliche Szenario zu hoch spielen,
denn ohne die großen Absatzmärkte in Amerika bricht Chinas Wirtschaftswunder wie ein Kartenhaus zusammen. Sollte es jedoch den Chinesen gelingen, Ersatzmärkte in den nächsten zwei bis fünf Jahren aufzubauen, dann ist die Gefahr eines finalen Zusammenbruchs für die USA gegeben.
Auf jeden Fall rächt sich für die USA, dass in der Annahme der Führerschaft im Umgang mit Partnerstaaten, gepaart mit Arroganz und Überheblichkeit offenbar die Grenzen von Leichtsinn und Stümperhaftigkeit ständig überschritten wurden.
Die vermeintliche militärischen Stärke sowie die ebenso törichte wie maßlose Weigerung der USA, ihren Reichtum nicht auf Pump zu bauen und nicht ständig über ihre Verhältnisse zu leben, zeigen die Grenzen des amerikanischen Wohlstands und der Politik auf. Für den Fall, dass die USA weiter straucheln, werden wir alle die schwerwiegenden Konsequenzen zu fürchten haben.
Ganz im Gegensatz zu den Gepflogenheiten der Bush – Administration wird das Obama – Team nicht mehr in der Lage sein, die Interessen anderer wichtiger Partnerstaaten massiv zu missachten.
Anstatt Europa einfach einem Diktat zu unterwerfen, wird Barack Obama nicht umhinkommen, mit den europäischen Staaten zu verhandeln, sich sogar anzupassen und mit ihnen freundschaftlich zusammenzuarbeiten.
Genauso wird es kommen, denn die USA haben keine andere Wahl. Die Euphorie mit den Fondssystemen bricht immer mehr auseinander, so dass hierüber kein
„frisches Geld”
mehr in größeren Mengen in die USA fließen kann. Diese offenen Adern sind zum größten Teil bereits verschlossen.
Was bedeutet die neue
welt- und wirtschaftspolitische Lage für die
Regierung von Barack Obama?
Für die Außenpolitik bedeutet dies, dass Hillary Clinton ein Gleichgewicht herstellen muss zwischen den internationalen Verpflichtungen der USA und den verfügbaren Mitteln, diesen Verpflichtungen nachzukommen.
So manches gehört auf den Prüfstand und muss überarbeitet werden. So manches muss grundlegend revidiert werden, vor allem die völlig falsche Vorstellung, ein grenzenloser und unbefristeter Kampf gegen den
Terrorismus
sei die einzig vernünftige Antwort auf die Bedrohung durch den gewaltbereiten islamistischen Radikalismus. Die geballte amerikanische Wirtschaftskraft sollte eingesetzt werden, um die gesamten eigenen Bundestaaten umzugestalten.
Auf diese Weise könnte eine neue Wirtschaftsordnung entstehen die eine soziale Marktwirtschaft ermöglicht.
Aber machen wir uns nichts vor:
Bis dahin ist es ein sehr, sehr langer Weg, besonders für die eingefleischten neoliberalen Kapitalisten, die zurzeit die Vorherrschaft in den USA bilden.
Niemand wird dann behaupten können,
das Obama – Team sich keine große Mühe gegeben hätte.
Auch alle Amerikaner haben die Wahl, entweder die Art, wie sie leben, zu ändern, was zurzeit noch nicht annehmbar erscheint, oder die Art, wie sie leben wollen anzustreben.
Warten wir es also ab, was man sich in Washington noch alles ausdenken wird. Doch
weltweit wachsender Antiamerikanismus zwingt zum raschen Umdenken.
Denn der weltpolitische Master – Plan, den sich die Bush – Administration nach den Ereignissen vom 11. September 2001 ausgedacht hatte, ist von Grund auf gescheitert. Behält man aber die Strategie bei und möchte weiterhin ganze Länder besetzen, um gewissermaßen im Schnellverfahren ihren Weg in die Moderne abzukürzen, dann wird man nur noch mehr Menschenleben und wirtschaftliche Ressourcen vergeuden.
Barack Obamas
Charisma und seine Intelligenz haben durchaus den Eindruck erzeugen können, dass er in seiner Präsidentschaft in der Lage sein könnte, solche großen Ziele für die USA zu erreichen.
Deshalb brauchen die
Vereinigten Staaten von Amerika
für die Zukunft endlich wieder einen Sinn für Bescheidenheit und für einen neuen Realismus. Genau die Eigenschaften, die in Washington in den vergangenen zwölf Jahren weitgehend verloren gegangen sind. Das wird man aber noch lernen müssen.
Erst dann kann Washington nicht nur die internationalen Beziehungen tief greifend verändern, sondern auch eine beschädigungsfreie Partnerschaft mit allen Staaten suchen.
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Deutscher Rentenschutzbund e.V.
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