Arbeit und Exklusion 2011 05 17

Arbeit und Exklusion

 

17. Mai 2011

 

Folgt man den Theorien der Sozialforschung, dann ist der Ausgangspunkt jeder noch so komplizierten Gesellschaftsform ein kleiner Kreis von Menschen, der sich konsequent gegen benachbarte Kreise hermetisch abzuriegeln versucht. Daraus ergibt sich logischerweise zunächst ein strenges Prinzip von Drinnen und Draußen. In dem Maß, in dem aber die Gruppe wächst – zum Beispiel an Bedeutung und Lebensinhalten, numerisch oder räumlich, lockert sich ihre unmittelbare innere Einheit und die Schärfe der ursprünglichen Abgrenzung gegen andere auf. Es entstehen Wechselbeziehungen und zugleich gewinnt das Individuum Bewegungsfreiheit, weit über die erste, eifersüchtige Eingrenzung hinaus.

Dieser Prozess löst sich
aber mit dem Wachstum der Gruppe zunehmend auf.

Daraus ergibt sich, dass Menschen in unserer Heimat, die nicht über Geld im ausreichenden Maße verfügen, in geldwirtschaftlich organisierten urbanen Gesellschaften wie der unseren einer wesentlichen Sozialfunktion beraubt sind, weil sie auf Grund des Fehlens von Geld nicht in der notwendigen Weise in ein Tauschverhältnis mit anderen Mitgliedern der Gruppe treten können, um ihre normalen Bedürfnisse zu erfüllen. Das heißt im Klartext, sie werden aus dem sozialen Verkehr der Gesellschaftsmitglieder und damit der Gesellschaft exkludiert. Arbeitslosigkeit ist in unserer Heimat, gemessen an der Häufigkeit der publizistischen, politischer und wissenschaftlicher Thematisierung, ein

Dauerbrenner,

der zurzeit durch statistische Spielereien zwischen ALG1 und ALG2 verschleiert wird. Denn statistisch gesehen hat sich ihr Niveau in den vergangenen Jahrzehnten schubweise erhöht und ist konjunkturell bedingt zu strukturell verfestigter Arbeitslosigkeit geworden. Um diese zu reduzieren, wurden seit 2001 verschiedene politische Maßnahmen ergriffen, die bis heute ihre Untauglichkeit Monat für Monat unter Beweis stellen. Zu unterscheiden sind aktive und passive Arbeitsmarktpolitiken im engeren Sinn, die bis dato weitgehend erfolglos blieben. Neue Chancen werden seit Jahren von der Politik versprochen, doch die prekäre Leiharbeit ist keinesfalls als aktivierende Arbeitsmarktpolitik zu bezeichnen. Zur untauglichen Strategie zählen auch die so genannten Hartz – Gesetze [ Erstes bis Viertes Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt ], dass in der zweiten ROT / GRÜNEN REGIERUNGSPHASE [ 2002 bis 2005 ] aus der Taufe gehoben wurde. Insbesondere das Vierte der Gesetze institutionalisiert spezifische Maßnahmen für arbeitslose Erwerbsfähige, die darauf hinauslaufen, bei Beziehern staatlicher Leistungen das Engagement zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zu stimulieren. Aufgrund fehlender Langzeitarbeitsplätze sowie ausufernder prekärer Leiharbeit verpuffen jedoch die angedachten Maßnahmen. Die DRSB – Diagnosen zeigen seit fünf Jahren, dass die hohe Arbeitslosigkeit rund 2 Millionen Menschen in unserer Heimat quasi systematisch von Erwerbsarbeit ausschließt und zusätzlich erhebliche öffentliche Gelder bindet. Beispielhaft für das Wissen um die ungute Entwicklung ist der Brief von Bundeskanzlerin Angela Merkel an die deutschen Bürger zum Jahreswechsel 2005 / 2006, der den eigenen Anspruch für mehr Arbeit wiedergibt

Zitat:

„An erster Stelle steht die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Ich kann nicht akzeptieren, dass wir für so viele arbeitswillige Männer und Frauen in unserem Land keine Beschäftigung finden.”

Zitat.

Die Mehrheit der bereits sozial ausgegrenzten arbeitswilligen kann auch nicht akzeptieren, dass man in unserer Heimat in vielen Regionen keinerlei sinnvolle und sichere Beschäftigung findet, um aus der Erwerbsarbeit seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Im April 2011 gaben in einer DRSB – Befragung zwei Drittel der Menschen an, die bedeutsamste gesellschaftliche Spaltung verlaufe bereits zwischen Wohlhabenden und Ausgeschlossenen. Mittlerweile wird mit Blick auf brennende Autos und Vorstadtunruhen die Wiederkehr der gefährlichen Klassen erwartet. Dieser Themenkreis wird zum Kristallisationspunkt einer Unsicherheitssemantik, die in ihrem harten Kern die Bedrohung der Demokratie als Zentrum des nationalen Selbstverständnisses hat. Damit parallel verbunden ist ein radikaler Wandel des wohlfahrtsstaatlichen Organisationsarrangements. Bedürftigkeit, Illegitimität von Nicht-Arbeit, Sanktionen und Begleitdiskurse verdichten sich bei den von Exklusion Betroffenen aktuell eher zu einer negativen Diskriminierung. Die wiederkehrenden Zurückweisungen sowohl wirtschaftlicher als auch wohlfahrtsstaatlicher Hilfsempfänger bergen hohe Enttäuschungspotentiale, insbesondere immer dann, wenn Anpassungshoffnungen geweckt werden, die unerfüllt bleiben. Auf den aktuellen Arbeitsmärkten existieren bereits seit Jahren in höherem Maß Erwerbsverläufe, die ein regelmäßiges Pendeln zwischen Arbeit und Hilfebedürftigkeit abbilden. Darüber hinaus sind Tendenzen beobachtbar, dass Teile interner Arbeitsmärkte externalisiert werden. Kontrolle und Disziplinierung sowie die daraus resultierenden materialistische staatstheoretischen Überlegungen ergeben eindeutig, dass sich der Wohlfahrtsstaat zu einem Wettbewerbsstaat entwickelt, der sozial Ausgegrenzte nicht mehr unter Kontrolle halten kann damit zukünftig abhängig Beschäftigte noch diszipliniert Leistungen erbringen können. Insofern muss das gesamte untaugliche Konstrukt Hartz – IV in der Weise überprüft werden, inwieweit Hartz – IV noch ein entsprechendes, auf überwachende Inklusion beruhendes Kontrollsystem darstellen kann. Gemäß den veröffentlichten Studienergebnissen des DRSB ist dies nicht der Fall, sodass Hartz – IV zeitnah zu ersetzen ist.

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