Akt des Terrorismus?
Die Volksseelen brodeln nicht nur in London, Athen, Madrid oder in Istanbul, sondern weltweit. Überall entstehen soziale Spannungsfelder. Im Mittelpunkt stehen stets die gleichen Auslöser: Korruption, politische Kungelei und das Versagen der Politiker. Es wird investiert auf Teufel komm raus. Oftmals in die völlig falsche Richtung, denn für das Volk bleibt selten etwas Nutzmehrendes übrig. So nun auch In Brasilien.
Dort schwillt der Zorn an und die Wut wächst.
Mindestens 300.000 Brasilianer demonstrierten in mehreren Städten gegen die enormen Kosten der Fußball – WM protestiert. Rio de Janeiro und São Paulo richteten sich die Proteste gegen die politische Kungelei sowie gegen die galoppierende Korruption. Erboste Brasilianer lieferten sich Straßenschlachten mit der Polizei. Der Confederations Cup soll für Brasilien ein Testlauf für die WM 2014 sein.
Das Volk sollte sich freuen und jubilieren.
Doch worüber?
Auf die soziale Ausgrenzung von immer mehr Brasilianern? Über die systematische Ausbeutung durch Billigjobs und Sklavenarbeit?
Auf die anhaltende Diskriminierung von abhängig Beschäftigten?
Der Lack an der goldenen Fassade blättert ab, denn es läuft aus sozialpolitischer Sicht alles andere als spannungsfrei. Die brasilianischen Politiker erleben derzeit die größte Protestbewegung seit 20 Jahren. Der „profane“ Auslöser war eine Erhöhung der Fahrpreise für öffentliche Verkehrsmittel Anfang Juni 2013. Doch schon längst geht es um wesentlich mehr als um die 20 Centavos verteuerten Fahrkarten.
Für ein besseres Brasilien! Schluss mit der Korruption!
Ist seit dem 16. Juni 2013 auf den Fahnen und Plakaten zu lesen. Der Ärger der protestierenden Brasilianer richtet sich gegen die Milliardenausgaben für die Fußball – WM 2014 und die Olympischen Spiele 2016. Die zunächst friedlichen Proteste sind seit dem 17. Juni 2013 in Wut und Gewalt umgeschlagen, denn Parlamentspräsident Paulo Mello sprach von einem
Akt des Terrorismus.
Ist es ein Akt des Terrorismus, wenn Brasilianer mehr Geld für Schulen, Universitäten und bessere, saubere Krankenhäuser fordern? Ist es ein Akt des Terrorismus, wenn Brasilianer mehr Geld für ihre Arbeit und menschenwürdige Behandlung fordern? Der Unmut des brasilianischen Volkes richtet sich nicht nur gegen die überteuerten Stadien sowie die politische Kungelei zwischen den Mächtigen in der Regierung und der Fifa. Auch der Kongress und der Senat stehen tief in der Kritik. Mit Molotow – Cocktails und fliegenden Kokosnüsse sowie brennenden Autos wird man keine Änderung herbeiführen.
Auch die Plünderung von Geschäften ist keine Dauerlösung.
Die Bilder im Internet zeigten, dass der Zugang zum Präsidentenpalast Palácio do Planalto hermetisch abgeriegelt war. Man hat Angst und fürchtet um das Leben, denn auch in Porto Alegre gingen geschätzte 20.000 Demonstranten auf die Straße. In São Paulo sollen es über 90.000 Brasilianer gewesen sein. Überall im Land brodelt es. In Belo Horizonte, Belém, Fortaleza sowie Recife und Salvador lodern die Proteste. Über alle Grenzen hinweg schwappte der brasilianische Protest gegen Ausbeutung und Unterdrückung auch In die US – Städte Boston, Chicago, Los Angeles und New York. Brasilianer tragen den Flächenbrand quasi in alle Welt.
Ein Aufbruchsignal auch für Europa zur Solidarisierung?
Für die Fußballweltmeisterschaft rechnet man in Brasilien mit Kosten von 10 bis 15 Milliarden Euro. Eine enorme Belastung für das Land, denn das Wirtschaftswachstum lag im ersten Quartal 2013 nur noch bei mageren 0,6%. Dagegen stieg die Inflationsrate bis Mai 2013 auf satte 6,5% und ließ zum Beispiel bereits die Lebensmittelpreise um 13% explodieren. Wie weit sind also solche Entwicklungen von Berlin, Hamburg, Duisburg, Köln, Frankfurt, Mannheim oder München entfernt? Ist es auch ein
Akt des Terrorismus,
wenn demnächst abhängig Beschäftigte und aktuelle Rentenbezieher in Deutschland gegen Lohnsklaverei, Hartz IV, soziale Ausgrenzung, Altersarmut und systematische Ausbeutung demonstrieren?