Gastbeitrag
von
Ingrid Scheffelmeier
Lückenhafte Impfdaten:
Kassenärzte werfen RKI-Chef Wieler Falschbehauptung vor
Enormer Meldeverzug bei den Infektionszahlen des Robert-Koch-Instituts, nach wie vor kein Überblick darüber, wie gut die Bewohner von Alten- und Pflegeheimen gegen das Coronavirus geschützt sind die Datenlage in maßgeblichen Bereichen der Corona-Pandemie in Deutschland weist große Lücken auf.
Fast 2 Jahre sind seit dem Ausbruch des Virusvergangen
und immer noch stützt sich das Handeln der Regierenden überwiegend
auf Studien aus anderenLändern oder mitunter fehlerhafte
eigens erhobene Daten.
Dabei sollten wissenschaftlich sauber erhobene Informationen doch die Grundlage für politische Entscheidungen sein. Gesundheitspolitiker der neuen Ampel-Regierung hatten deshalb schon vor der Regierungsbildung angekündigt, die Daten-Basis verbessern zu wollen. Doch wie schlecht die Rädchen ineinandergreifen, zeigt ein Wortgefecht zwischen dem Chef des Robert Koch-Instituts [ RKI ], Lothar Wieler, und der Vertretung der Kassenärzte. In der Bundespressekonferenz hatte Wieler den impfenden Ärzten vorgeworfen, sie dokumentierten ihre durchgeführten Covid-19-Impfungen nicht ordnungsgemäß. Ähnliches war schon im Sommer 2021 passiert, als das RKI als Institut der Bundesregierung im September dieses Jahres einräumen musste, dass die Impfquote bundesweit womöglich höher liegt als gedacht. Die Schuld schob Wieler damals den Betriebsärzten zu. Jetzt soll es an angeblich den Kassenärzten liegen, dass dem RKI wieder einmal die Daten fehlen und man dadurch nicht weiß, wie viele Impfungen durchgeführt wurden und wer geimpft wurde. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung [ KBV ] wendet sich nun in einem Brief an den Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach [ SPD ]. Dieses Schreiben liegt Business Insider exklusiv vor. Tatsächlich dokumentieren die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte demnach ihre durchgeführten Covid-19-Impfungen sogar in zweifacher Weise:
Nach Aussage der KBV tragen die Ärzte täglich Angaben
zum impfenden Arzt, zum verwendeten Impfstoff, zu Erst-/Abschluss-
oder Auffrischimpfung und zur Altersgruppe der Geimpften
auf einer Seite der KBV ein.
Die Informationen werden dann erneut versandt, wenn die Ärzte die Impfungen mit den Krankenkassen abrechnen. Die fehlende Übertragung der Daten hänge an einem Versäumnis des RKI, schreibt die KBV an Lauterbach:
Dass beim RKI möglicherweise fehlende oder lückenhafte
Daten über die [ ... ] Impfungen vorliegen, ist vielmehr darin begründet,
dass das RKI diese Daten nicht in Empfang nehmen kann, weil es
bis heute die hierfür vorgesehene Datenschnittstelle
nicht realisiert hat!
Das RKI erklärt die Schwierigkeiten bei der Datenerhebung so: Die Erhebung der Daten zur Covid-19-Impfung erfolgte zunächst in Impfzentren, Krankenhäusern und durch die Mobilen Impfteams sowie die Betriebsmediziner und betriebsmedizinische Dienste. Autorisiertes Personal aus den genannten Einrichtungen könne über die Webanwendung
Digitales Impfquoten-Monitoring
die Daten eingeben und über eine gesicherte Internetverbindung täglich an die Bundesdruckerei übermitteln, wo im Auftrag des RKI die Daten zwischen-gespeichert und vom RKI täglich abgerufen werden. Außerdem würden die aggregierten Impfdaten der niedergelassenen Ärzte einfließen, die täglich an die
Kassenärztliche Bundesvereinigung
übermittelt werden, und die aggregierten Daten der Privatärzte, die täglich an eine eigene Plattform übermittelt werden. Auch von diesen zwei weiteren Portalen rufe das RKI die Daten täglich händisch ab, schreibt die Behörde.
Ganz schön viele Arbeitsschritte!
Angesprochen auf die Meldepanne, als das RKI vor einer Woche unvollständige Infektionszahlen vermeldete, und die scheinbar andauernde Untererfassung neuer Covid-19-Fälle, sagt das Bundesgesundheitsministerium [ BMG ]:
Die Gesundheitsämter seien aktuell überlastet und
könnten deshalb der Meldung der Infektionszahlen nicht nachkommen!
Die Antwort des BMG auf dieses bereits bekannte Problem ist offenbar:
Mehr Geld!
Eine Sprecherin sagte zu Business Insider, der Bund habe den Gesundheitsämtern viel Geld für die personelle und digitale Aufrüstung zur Verfügung gestellt. Man könne niemanden zwingen, diese Summen abzurufen.
Unklarheit, wo Infektionen ausbrechen!
Ein weiterer Auswuchs dieser Politik des Schleifenlassens:
Fast 2 Jahre nach Beginn der Pandemie ist kaum bekannt, wo es
zu Ausbrüchen beziehungsweise sogenannten Infektionsclustern kommt!
Das Robert-Koch-Institut erfasst Informationen dazu lediglich in einer Excel-Tabelle, die jeweils zwei Wochen hinterherhinkt. Zudem kann der Großteil der Infektionen keinem Ausbruch zugeordnet werden oder man weiß nicht einmal, wo sich die Menschen angesteckt haben. Das zeigt der folgende Ausschnitt aus der RKI-Tabelle, die jeweils nach Meldejahr, Woche und Infektionsort gegliedert ist. Man habe zu Beginn der Pandemie mittels des
Deutschen Elektronischen Melde- und Informationssystem
für den Infektionsschutz
[ DEMIS ] begonnen, die Datenlage zu verbessern. Mittlerweile melden über 500 Labore elektronisch an die Gesundheitsämter, schreibt das RKI. Im Infektionsschutzgesetz steht, dass spätestens bis zum 01. Januar 2023 alle von Krankenhäusern über Ärzte zu Gesundheitsämtern an das elektronische System angebunden sein müssen. Dass diese Zeitspanne während einer laufenden Pandemie etwas lange erscheint, merkt auch das RKI und erklärt:
Aufgrund der in Kraft getretenen Verordnung wird derzeit geprüft, wie eine
Anbindung der Krankenhäuser auch schon vorzeitig ermöglicht werden kann!
Eine Flut an verschiedenen Meldewegen und Formen, die auch in anderen Bereichen der Pandemie-Eindämmung dazu führt, dass Deutschland weiterhin im Dunkeln tappt. Es mangelt an korrekten Informationen zu den Infektionszahlen, zur Impfquote und Erkenntnissen darüber, wo besonders viele Infektionen stattfinden. Die Erhebung und Zusammenführung der Daten gestaltet sich mitunter schwierig, nicht nur wegen der unterbesetzten Gesundheitsämter. Nach wie vor werden Gesundheitsdaten nicht immer digital erhoben und weitergeleitet und der Bund hat bisher wenig Handlungsspielraum, denn die Länder und Kommunen können selbst entscheiden, welche Programme sie einsetzen. Der Bundestagsabgeordnete
Michael Hennrich,
der für die CDU im Gesundheitsausschuss sitzt, nennt das
> Daten-Chaos <
rund um Covid-19 einen untragbaren Zustand. Als enorme Hürde sieht er in diesem Fall den Föderalismus. Hennrich sagt, einige Länder hielten sich nicht an Vereinbarungen und verweist auf die schwierige und uneinheitliche Einführung der Sormas-Software.
Wir müssten die Zuständigkeiten neu definieren,
die Pandemiebekämpfung müsste stärker von oben gesteuert werden -
sagt der Gesundheitspolitiker.
SPD, Grüne und FDP
schreiben sich gute Vorsätze in den Koalitionsvertrag. Jetzt will die neue Ampel-Regierung das Corona-Krisenmanagement verbessern. Im Koalitionsvertrag finden sich dahingehend folgende Punkte:
Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung geht in
einem Bundesinstitut für öffentliche Gesundheit am Bundesministerium
für Gesundheit auf, in dem die Aktivitäten im Public-Health Bereich, die
Vernetzung des öffentlichen Gesundheitsdiensts und
die Gesundheitskommunikation des Bundes angesiedelt sind.
Zudem wollen SPD, Grüne und FDP ein Registergesetz und ein
Gesundheits-Datennutzungs-Gesetz
zur besseren wissenschaftlichen Nutzung in Einklang mit der Datenschutz-Grundverordnung auf den Weg bringen und eine dezentrale
Forschungs-Daten-Infrastruktur
aufbauen. Mit einem
Gesundheits-Sicherstellungs-Gesetz
soll geregelt werden, dass Vorkommnisse wie Masken-Knappheit oder Verteilerprobleme bei Impfstoffen künftig der Vergangenheit angehören.
Business Insider
fragte auch die bisherigen 3 Spitzen-Gesundheits-Politiker der Ampel-Parteien an. Doch konkrete Pläne, mittels derer man die Datenlage verbessern will, nennt weder die neue Staatssekretärin für Gesundheit,
Sabine Dittmar [ SPD ],
noch die Gesundheitspolitiker
Janosch Dahmen [ Grüne ]
und
Christine Aschenberg-Dugnus [ FDP ]).
Bereits bei der Einführung der Impfpflicht könnte die mangelnde Datenbasis der neuen Bundesregierung auf die Füße fallen. Nur durch die Zugangs-Kontrollen von Arbeitgebern und Einrichtungen wie Geschäften und Restaurants wird bisher der Impfstatus zumindest punktuell überprüft.
Ein zentrales System, wo gespeichert
ist, wer bereits geimpft ist, gibt es nicht!
Das Nachbarland Österreich ist da schon weiter: Jeder gilt als ungeimpft, der keinen Eintrag im nationalen Impfregister hat. Dadurch lässt sich einfacher herausfinden, wer noch nicht geimpft wurde, und diese Personen auf dem Postweg anschreiben und vor die Wahl stellen, ob sie sich impfen lassen oder eine Strafe bezahlen.
Quellen: Business Insider und Christiane Rebhan
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Ingrid Scheffelmeier
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