Versagen die Eliten?
Teil 43
Tugend ohne Macht?
05. Juli 2010
Was Politik bewirken soll, was die Menschen von ihr erwarten, das hat sich im Lauf der zurückliegenden 20 Jahre gravierend verändert. Bei Konrad Adenauer und Ludwig Erhard, die als Volksvertreter die Grundsätze für eine soziale Marktwirtschaft formulierten, wurden die Vermehrung des Wohlstands und die kollektiven Leistungen des Staates über das, was war, unmittelbar mit dem verbunden, was den Menschen Nutzen brachte.
Daraus resultierten über Jahrzehnte hinweg die Richtlinien zum nutzmehrenden Handeln in der Politik.
Das galt für Adenauer und Erhard immer dann, wenn es darum ging, die Wahrung des Gemeinwohls als Sicherungsmechanismus für ein einträchtiges Zusammenleben der Menschen zu gewährleisten. Nach der Landtagswahl in NRW im Mai 2010 mussten alle Menschen in unserer Heimat schmerzhaft feststellen, dass das Gemeinwohl nicht mehr im Mittelpunkt der Politik steht, sondern die neoliberale Lehre von der Ausübung der Herrschaft sowie der Planung des Machterhalts und des Machterwerbs. Manch ein Politiker aus der CDU / CSU mag sich heute noch verzweifelt danach sehnen, die Handlungsratschläge aus den Zeiten von Adenauer und Erhard anwenden zu dürfen.
Doch verkorkste demokratische Verhältnisse im Zeichen von
machiavellistischen Machtgeplänkeln
lassen der Politik wenig Spielraum zum nutzmehrenden Handeln.
Verantwortliches Handeln muss aber nicht nur von den Menschen in unserer Heimat eingefordert werden, sondern zum Hauptthema in der Öffentlichkeit für ständigen Druck sorgen, damit die Politiker wieder die Tugend entdecken, für „IHR” Volk tätig zu werden.
Es mag durchaus sein, dass der ursprünglich recht positiv belegte Begriff der
„bürgerlichen Tugenden”
heutzutage ein wenig eingestaubt und verrostet wirkt. Bei genauer Durchleuchtung stellt man aber sofort fest, dass die so genannten
„bürgerlichen Tugenden”
nichts an Aktualität und Frische verloren haben.
Bürgertum,
hier ist doch der Bürger gemeint, der früher versuchte, sich im Kampf gegen den ausbeutenden Adel wirtschaftlich und intellektuell zu behaupten.
Bürgertum
verstand sich als befreiende Bewegung, aus der man mit eigener Leistung ein geordnetes wirtschaftlich sicheres Leben aufbauen konnte.
Bürgertum,
das war die Zeit der Aufklärung und Befreiung aus der Vorherrschaft der aristokratischen Kneblungen und Gängeleien.
Bürgertum,
das waren einfache Tugenden wie Pünktlichkeit, Tüchtigkeit, Sparsamkeit, Ordnungsliebe und Fleiß.
Die so genannten
„bürgerlichen Tugenden”
waren und sind genau betrachtet kein Selbstzweck.
Denn während zu den Zeiten der Herrschaft des Adels, der verschwenderisch im Überfluss lebte und stetig den Ausbeutungsdruck auf seine so genannten
„Untertanen”
erhöhte, versuchte das Bürgertum, sparsam zu wirtschaften und kaufmännische, soziale Solidarität zum Allgemeinwohl zu nutzen. Der Niedergang des Adels und die oftmals damit verbundene Verarmung legen noch heute von dem Sieg der
„bürgerlichen Tugenden”
Zeugnis ab. Man sollte es täglich wiederholen, dass die scheinbar unbedeutenden bürgerlichen Tugenden der Grundstein für das sittliche Verhalten der Menschen in unserer Heimat wurde. Zwar versuchen heute einige adelige Politiker, das Rad der Zeit zurückzudrehen, doch schon die als unangenehm empfundenen Auftritte des
Verteidigungsbarons zu Guttenberg
stoßen in der Breite der Bevölkerung auf immer stärkeren Widerstand.
Dabei ist die Basis für bürgerliche Tugenden, die auf Vernunft und nicht auf sektiererischem Glauben aufbauen, eine Gesellschaft, die sich – ohne wenn und aber – zur Freiheit des Denkens bekennt. Denn die Gedankenfreiheit geht weit über die Freiheit hinaus seine Meinung äußern zu können.
Bevor nämlich eine Meinung oder ein Meinungsstrom entstehen kann, muss man erst einmal klare Gedanken fassen, über das, was man verändern möchte.
Klares Denken ist also die unabdingbare Voraussetzung für das Erkennen von Fehlentwicklungen und fördert das Wissen über sinnvolle Korrekturen.
Das Problem für unsere Politiker ist jedoch, dass der Weg zum Erkennen von Fehlentwicklungen ausschließlich über die Wahrheit führt. Und mit der Wahrheit in der Politik ist es in unserer Heimat seit Jahren miserabel bestellt.
Bedauerlicherweise zählt die so genannte
Wahrhaftigkeit
schon lange nicht mehr zu den politischen Tugenden, so dass das Lügenhandwerk für Politiker Hochkonjunktur zu haben scheint.
Das allerbeste und eindrucksvollste Beispiel dafür:
Die breite Öffentlichkeit lehnt kriegerische Auslandseinsätze der Bundeswehr rundherum ab. Deshalb haben die Chefprotagonisten von CDU / CSU, SPD, FDP und besonders Bündnis 90 / Die Grünen ihre Wähler und das deutsche Parlament belogen. Eine Volkszustimmung für den Krieg in Afghanistan hat es nie gegeben.
Vielen Politikern fehlt ohnehin der Mut, sich zur
Wahrhaftigkeit
durchzuringen, denn sie befürchten ihre Karriere zu beschädigen, wenn sie sich zu Problemen bekennen oder unbequeme Tatsachen äußern. Aus diesem Handlungszwang heraus treffen sie dann Entscheidungen, die keinerlei Nutzen für die Menschen in unserer Heimat beinhalten. Die meisten Wahlkampfversprechen sind sowieso die reinsten Lügengebilde, die vom Großteil der Bevölkerung nicht mehr ernst genommen oder gar geglaubt werden. Wahlbeteiligungen unter 60% sind ein deutliches Zeichen für diese problematische Entwicklung des Verlustes unserer
Tugenden.
Wer sich einmal die Mühe macht und die Aussagen unserer Politiker auf den Prüfstand hievt, der stellt umgehend fest, dass kaum einer zu einem Politikfeld wirklich konkret Stellung bezieht.
Stattdessen reden alle mit
wachsender Euphorie um den heißen Brei herum.
Die Problemfelder
gesetzliche und private Rentensysteme
sind zugegebener Maßen keine einfachen Themenwelten. Möglicherweise liegt hierin das totale Versagen aller Parteien seit mehr als 40 Jahren. Besonders die Altersvorsorge sollte wahrhaftig keine Spielwiese für unerfahrene Laien sein, die populistisch jeder Moderichtung nachlaufen. Die politischen Minenleger Daniel Bahr
[ FDP ] und Ralf Brauksiepe [ CDU ] hinterlassen bereits erkennbare Spuren und dürfen nicht zum totalen „Blackout” für aktuelle und zukünftige Rentenbezieher führen. Den Politikern geht es im so genannten Tagesgeschäft doch hauptsächlich um die Macht und nicht um nutzmehrende Inhalte. Deshalb sind sie in der Regel immer schnell bereit, vernünftige Positionen sofort über den Haufen zu werfen.
Tugend hat keine Macht!
Tugend hat keine Konjunktur!
Es sei denn, mit dem Gemeinwohl ist
gleichzeitig das Eigenwohl für Politiker zu erreichen.
Diese Konstellation kommt äußerst selten vor, so dass das Gemeinwohl immer das Nachsehen haben dürfte.
Demokratie und Bürgertum
gehen davon aus, dass die Menschen in unserer Heimat ihre Lebensbedingungen verändern können. Da Politik ein gesellschaftlicher Raum ist, indem widerstrebende Meinungen und Interessen miteinander kämpfen, sollte zukünftig tatsächlich die Macht vom Volke ausgehen und die so genannten
„bürgerlichen Tugenden”
ihre Aktualität und Frische demonstrieren.
Denn
Freiheit, Solidarität und soziale Gerechtigkeit
brauchen mehr Sicherheit und weniger Einschränkungen.
Dann klappt’s auch wieder viel
besser mit der Wahrheit und den Tugenden.
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